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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
Autoren: Johannes Fried
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ohne den König deshalb von Gewaltaktionen abzuhalten. Strafe gehörte zum Wesen des Glaubens. Gott und die Heiligen züchtigten die Unbotmäßigen mit Krankheit, Qualen, Todesfurcht und vorzeitigem Tod. Der König mußte die Gottlosen strafen.
    Das Glaubensbekenntnis und das «Vaterunser» waren in die «deutsche» Volkssprache übertragen.
Gilaubiu in got fater almahtîgon, scepphion himiles enti erda. Endi heilenton Christ … Nidhar steig ci helliu, in thritten dage arstuat fona tóotem, úf steig ci himilom … thanan quęmendi ci ardeilenne quecch≖m endi dóod≖m,
so klang es im karlszeitlichen fränkischen Weißenburger Katechismus;
Fater unseer, thu pist in himile, uuihi namun dinan, qheme rihhi din
, so in St. Gallen auf Alemannisch. Karl könnte beides auf Lateinisch gebetet haben. Taufgelöbnisse und Abschwörformeln, Beicht- und Bußformeln standen für das illiterate Volk zur Verfügung:
Fosahhistu unholdun? Ih fursahu. Forsahhistu unholdun uuerc endi uuilon? Ih fursahhu
… «Schwörstdu dem Teufel ab? Ich schwöre ab. Schwörst du dem Teufel in Werk und Willen ab? Ich schwöre ab»… So zu bekennen wurde den getauften Sachsen abverlangt, um dann zu beichten:
Ich uuirdu gote almahtigen bigihtig enti allen gotes heilagon allero minero suntono … meinero eido, ubilero fluocho, liogannes, stelannes. huores, manslahti
, «falsche Eide, böse Flüche, Lügen,Diebstahl, Unzucht, Totschlag»… Solcher Inquisition wurden wohl die besiegten und auf Befehl des Königs zur Taufe geführten Sachsen unterworfen: Formalisiertes Christentum auch hier. Karl wird es als Bekehrung gewertet haben.
    2 Fränkisches Taufgelöbnis 9. Jahrhundert, Domstiftsbibliothek Merseburg (Cod. 136f. 16r)
    Die Glaubenswelten des Volkes jenseits solcher Formeln entziehen sich der Kenntnis des Historikers. Magische Gebräuche und heidnische Traditionen bestanden teilweise noch Jahrhunderte fort und schufen mancherlei synkretistische Religions- und Lebensformen. Von ihnen umgeben wuchs Karl auf. An Zauber glaubte das Volk noch lange nach seinem Tod. Die berühmten Merseburger Zaubersprüche bieten ein Beispiel.
Eiris sazun idisi, sazun hera duoder./Suma hapt heptidun, suma heri lezidun,/suma clubodun umbi cuoniouuidi:/insprinc haptbandun, inuar uigândun
[ 34 ]. Die zauberhaften Anspielungen sind heute nicht mehr zu verstehen. Wieweit sie es damals waren, sei dahingestellt. Sie zu murmeln konnte nicht schaden.
    Oft genug war der Zauber nur notdürftig christlich überformt, wie der Trierer Spruch gegen das Lahmen des Pferdes verdeutlichen kann:
Quam Krist endi sancte Stephan zi ther burg zi Saloniun: thar uuárth sancte Stephanes hros entphangan. Soso Krist gibuozta themo sancte Stephanes hrosse thaz entphangana, so gibuozi ihc it mid Kristes fullesti thessemo hrosse. Pater noster. Uuala Krist, thu geuuertho gibuozian thuruch thina gnatha thesemo hrosse thaz antphangana atha thaz spurihalz, sose thu themo sancte Stephanes hrosse gibuoztos zi thero burg Salonium. Amen
[ 35 ]. Das war sympathetischer Zauber, der sich geheimnisvoller Namen und vorbildlicher (angeblicher) Wunder zu bedienen trachtete, die einen analogen Schaden heilten, so wie einst das lahmende Roß des hl. Stephan durch Christi Wort. Karl dürften entsprechende Praktiken nicht fremd gewesen sein; jedenfalls suchte er sie auszurotten[ 36 ].
    Die Religiosität wohl auch des Königs war weit entfernt von theologischen Spekulationen, war rituelle Praxis und schlicht, formgebunden, wenn auch nicht nur. Karl verlangte nach Wissen und Verstehen, nach Begründungen. Dazu befragte der Herrscher seine Gelehrten. Lektüre von Kirchenvätern erwartete Karl von seinen Kindern. Er selbst habe sie gepflegt, sich etwa bei Tisch darausvorlesen lassen, vermeldet sein Biograph. Führte Karl diese Sitte erst an seinem Hof ein oder hatte er sie von der Tafel seines Vaters übernommen? Welche Kapitel er in der Schrift «Von der Gemeinde Gottes» besonders schätzte, bleibt unbekannt; wie er sie verstand, erst recht. Vielleicht waren es gerade die letzten Bücher, die sich mit dem Kommen des Jüngsten Gerichts befaßten. Gerichts- und Endzeiterwartung hielten die Gläubigen jedenfalls in ihrem Bann. Karl stellte keine Ausnahme dar. Auch er erwartete in absehbarer Zeit das «Jüngste Gericht» und wird schon mit seinem Nahen konfrontiert worden sein. Sein Lehrmeister Alkuin mahnte ihn noch später mit seinen bedrohlichen Vorzeichen. Christlich getönte Prognostik war dem König und Kaiser
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