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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
Autoren: Johannes Fried
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Lateinunterricht genossen haben; derselbe fing gewöhnlich etwa mit dem siebten Lebensjahr an. Auch Lesen, lautes Lesen, dessen Erlernen vom Schreiben getrennt war, wurde dem Königsknaben zugemutet.
    In welchem Umfang Karl diesen Bildungszielen tatsächlich Genüge tat, sei dahingestellt. Doch zu viel Latein umgab in seinen reifen Jahren den Herrscher, als daß es ihm unverständlich gewesen sein könnte. Rätsel und Scherze, Lieder und scharf gewürzte Ironie bedienten sich vor ihm des Lateins. Wer aber hätte zu lachen und zu raten gewagt, ohne daß der König mitlachen, mitraten konnte? In der Tat, Karl soll gemeinsam mit seinem Vetter Adalhard, dem späteren Abt von Corbie, die Schulbank gedrückt haben, der seinerseits – wie Karl dann selbst – neben der lateinischen Sprachkenntnis ein besonderes Interesse für Mathematik, Astronomie und Komputistik (der Wissenschaft für die Kalenderberechnung) an den Tag legte und sich in der Dialektik beschlagen zeigte[ 24 ]. Karlwird sich noch als König daran erinnern. Schreiben freilich – es galt als Handwerk, nicht als Wissenschaft – konnte der Kaiser trotz einiger später Versuche nicht; seine Hand – schwerterprobt – wird zu schwer und ungelenk gewesen sein, um mit dem zarten Gänsekiel recht umzugehen.
    Ob der Sinn des Knaben nach geistlicher Erbauung stand? Gewiß nicht nur. Er kannte und liebte, so erinnerte sich Einhard (c. 29), die Lieder, die in der Volkssprache kursierten, Heldengedichte, «heidnische und uralte Lieder» (
barbara et antiquissima carmina
), die von den Taten und Kriegen früherer Könige handelten. Karl ließ sie sammeln und aufzeichnen. Wir wüßten gerne, welche Schätze dieses Liederbuch barg. Doch Karls Sohn Ludwig ließ das einzige Exemplar – in frommer Anwandlung – vernichten. Nur Vermutungen sind möglich. Alboin und Rosamunde, König Etzel und Dietrich von Bern, Gunther von Worms und Siegfried, die Nibelungen könnten die Helden auch von Karls Jugend gewesen sein. Eine eherne Reiterstatue Dietrichs von Bern ließ der Herr Italiens später – aus welchem Grund auch immer – nach Aachen schaffen[ 25 ]; auch sie ging unter Ludwig dem Frommen unter. Sicherlich hatte Karl Freude an den Heldentaten, an den Erzählungen vom weltlichen Treiben an diesem und jenem Hof. Gewißheit über Karls Lektüre in jenen frühen Jahren ist dennoch nicht zu gewinnen. Vermutlich hörte er schon als Knabe von der Herkunft der Franken und seiner Ahnen aus Troja. Doch ein altfränkisches Trojalied ist nicht bezeugt. Ging es verloren? Wie immer, König David – wie ihn später seine Höflinge nannten – liebte Lieder, zu Fistula und Plectrum gesungen. Es werden nicht nur geistliche Gesänge gewesen sein.
    Geistliche Lektüre durfte freilich nicht fehlen. Sie hat, wie Karls künftiges Herrscherleben zeigt, nachhaltig auf den Heranwachsenden gewirkt. Die Psalmen werden nicht nur den Mönchen vertraut gewesen sein. Kostbare Handschriften wie der von Karl für den Papst Hadrian bestimmte Dagulf-Psalter entstanden. Augustins «
De doctrina christiana
» und «
De civitate Dei
» soll der König und Kaiser in besonderer Weise geschätzt haben, wie – auf das letztere bezogen – wiederum Einhard (c. 24) erwähnte. Die «Christenlehre»könnte Karl schon in jungen Jahren zur Hinführung auf die christliche Bildung erhalten haben. Sie bot Anleitungen zur Bibellektüre und lehrte, wie von den körperlichen und zeitlichen Dingen das Ewige und Geistige erfaßt werden könne (I,4,10). Als Vater hielt er seinen Sohn Ludwig zu ihrer Lektüre an.
    Als König aber stieß er sich an der sprachlichen Unzuverlässigkeit der handschriftlichen Verbreitung von Gotteswort und Heiliger Schrift, am fehlerbehafteten Psalmengesang. Er hatte eine verwirrende Überlieferungslage vorgefunden. Zwei spätantike Bibelübersetzungen – «Vetus Latina» und «Vulgata» – existierten nebeneinander. Zumeist kursierten die einzelnen biblischen Bücher oder Büchergruppen in einzelnen Handschriften, «Ganzbibeln» (Pandekten) gab es nur vereinzelt. Die Texte in Italien, Gallien, Spanien oder bei Iren und Angelsachsen stimmten zudem keineswegs überein. Vielfach waren sie durch die Abschreiber verderbt und grammatikalisch inkorrekt. Deshalb verlangte Karl im Jahr 789 von seinen Gelehrten deren Revision und sprachliche Korrektur. Deren erste könnte die (heute nur unvollständig erhaltene) Bibel des Abtes Maurdramnus von Corbie gewesen sein, die schon vor 781 entstand und insgesamt
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