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Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin

Titel: Karin Schaeffer 03 - Die stumme Zeugin
Autoren: Kate Pepper
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hatte sie in der Abstellkammer nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet und kam nun mit einem leisen Lächeln herausgekrochen. Dass sie auch in dieser Situation tapfer sein wollte, bereitete mir Kopfzerbrechen. Sie hatte gerade mehrere Stunden in einer muffigen Kammer mit kinderpornographischen Erzeugnissen zugebracht und somit allen Grund, sich zu beklagen – doch jemandem wie Dathi kam so etwas wohl nie in den Sinn.
    Sie stellte sich neben mich. Ich legte ihr den Arm um die Schulter und gab ihr einen Kuss auf den Kopf.
    »Wie habt ihr mich gefunden?«, erkundigte sie sich.
    »Abby hat uns eingeweiht.«
    »Mich hat sie gebeten, das Geheimnis für mich zu behalten. Sie hatte große Angst vor diesem Campbell.«
    »Der kann niemandem mehr etwas antun.« Mein Blick fiel auf Dathis klebrige Hände: einige Finger und ein Teil ihrer rechten Handfläche waren dunkelrot. »Dathi, blutest du?«
    Sie schüttelte den Kopf. »In dem Kabuff gibt es einen Karton mit einer Plastiktüte voller Kleidungsstücke, die nicht richtig zu war. Ein paar davon sind feucht und riechen schimmelig.«
    Einen Moment lang brachte ich kein Wort heraus. Was hatte sie da entdeckt? Unwillkürlich musste ich an die Fotos im Besprechungsraum der SOKO denken: all diese jungen, spärlich bekleideten Frauen, die brutal abgeschlachtet worden waren. Und der Mörder hatte von jedem Opfer ein Kleidungsstück mitgenommen – als Souvenir. Ich drückte Dathi an mich.
    »Karin«, sagte Billy. »Gib mir mal deine Taschenlampe.«
    Mary blieb mit Dathi im Flur, während ich hinter ihm in den Abstellraum kroch. Mary begann, mit Dathi zu plaudern, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Dathi würde die Wahrheit eh noch früh genug erfahren: dass nicht nur sie, sondern alle Mädchen auf der Welt in Gefahr waren. Sie und Abby hatten mehr gemein, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Ich durfte nicht zulassen, dass Dathis Hoffnung, in Amerika ein neues Leben anfangen zu können, von diesen niederschmetternden Ereignissen getrübt wurde, zumal ich felsenfest davon überzeugt war, dass sich die Dinge trotz allem zum Positiven wenden würden. Mit der Zeit würde sie lernen, mit Schwierigkeiten umzugehen und diese zu meistern.
    Der Platz in dem Abstellraum reichte kaum für Billy und mich. Er schaltete die Taschenlampe ein, hielt sie hoch und schwenkte sie langsam hin und her, um sich einen Überblick zu verschaffen.
    Und dann fiel der Lichtstrahl auf einen Karton und verharrte dort. Auf dem verblassten, seitlich angebrachten Etikett stand: Stark Jagdmesser #23 (MS-63).
    Billy war am Ziel seiner Ermittlungen angelangt.
    Endlich hatte er seinen Mörder gefunden – einen Mann, der seit drei Wochen tot war.
    Und das konnte nur bedeuten, dass ein Nachahmungstäter Chali auf dem Gewissen hatte. Hatte ihr Killer uns glauben machen wollen, dem Prostituiertenmörder wäre seine Lieblingswaffe ausgegangen, als er ein ähnliches Messer von einem anderen Hersteller benutzte? Oder war er wild entschlossen gewesen, in die Fußstapfen seines Vorbildes zu treten? Was hatte Chali an jenem Abend, als sie in diesem Haus auf Abby aufpasste, gesehen oder gehört? Und wieso hatte sie mit niemandem darüber gesprochen?
    »Ob da wohl noch Messer drin sind?«, überlegte ich laut.
    Billy bewegte sich wegen der niedrigen Decke auf allen vieren und mit eingezogenem Kopf nach vorn. Mit zitternden Fingern öffnete er den Pappkarton.
    »Billy, du hinterlässt überall deine Fingerabdrücke.«
    »Scheiß drauf«, zischte er. Da wurde mir klar, dass er sich innerlich bereits vom Polizeidienst verabschiedet hatte.
    Während er die Taschenlampe so ausrichtete, dass er den Inhalt erkennen konnte, zwängte ich mich neben ihn.
    In dem Karton lagen mindestens ein Dutzend schmaler, länglicher Schachteln mit dem Starkschriftzug in einer fetten Kursivschrift, die in den Sechzigern modern gewesen war und heute ziemlich retro wirkte. Billy steckte die Hand in den Pappkarton.
    »Das solltest du besser lassen«, warnte ich ihn. Wenn er alles anfasste und jetzt auch noch seine Fingerabdrücke auf einer der Messerverpackungen hinterließ, würden sie ihm die Hölle heißmachen.
    Er zog die Hand zurück.
    In dem Moment ging die Taschenlampe aus.
    Auf allen vieren krabbelten wir zurück und legten in der überfüllten Abstellkammer auf unseren Knien eine kurze Verschnaufpause ein. Als ich mich erheben wollte, ließ Billys Blick mich innehalten. Ich schaute ihm fragend in die Augen. Und dann überfiel uns jene
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