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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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dir? Kommst du heute?«
    »Nein. Ich habe noch zu tun. Es ist der erste Tag nach den Ferien, und außerdem, du weißt: meine guten Vorsätze.«
    »So kenne ich dich ja gar nicht. Morgen vielleicht?«
    Korber winkte ab. »Da habe ich leider schon etwas anderes vor.«
    Schweigen. Beide hatten sich in einen heiligen Griesgram hineingesteigert, aus dem es schwer war, wieder herauszufinden. Korber war ganz in Gedanken versunken und betrachtete jeden Ablenkungsversuch sozusagen als Störung seiner Privatsphäre. Das wiederum wollte Leopold nicht so ohne Weiteres hinnehmen. Wer ins Kaffeehaus kam, hatte gesellig zu sein. Und wenn sein Freund Thomas, wie so oft, ein Problem hatte, dann hatte er ihn gefälligst in die Sache einzuweihen.
    Leopold reagierte sich ab, indem er wahllos ein paar Getränke einschenkte und zu den hinteren Tischen trug. Dabei war seine Trefferquote überraschend hoch. Nur ein Cola blieb über, für das sich partout kein Abnehmer finden wollte. Er trank es in großen Zügen aus, dann machte er eine tadelnde Bewegung mit dem Zeigefinger und sagte: »Da steckt bestimmt ein Weibsbild dahinter.«
    »Na ja, so direkt kann man das nicht sagen.«
    »Stimmt’s, oder hab ich recht?«
    »Also schau, Leopold, es ist nicht so, wie du dir denkst. Wir haben eine neue Kollegin bekommen, die sich erst einarbeiten muss. Ich soll ihr dabei ein bisschen helfen, weil wir auch etliche Klassen gemeinsam unterrichten. Deshalb treffen wir uns morgen Abend zu einem dienstlichen Gespräch.«
    »Dienstliches Gespräch kennen wir«, spöttelte Leopold. »Immerhin besser, als sich des Nachts mit den eigenen Schülerinnen zu treffen und dafür fadenscheinige Ausreden zu gebrauchen. Aber du versäumst etwas. Morgen ist doch das große Turnierfinale. Und alles spitzt sich auf einen Zweikampf zu: Fellner gegen Sykora.«
    Leopold ließ die beiden Namen bedeutungsschwer in der Luft hängen. Korber blickte nur verträumt in die Weite des Kaffeehauses. »Fellner gegen Sykora«, murmelte er. »So, so.«
    »Ja, die beiden Erzrivalen. Du kennst sie doch von ehedem. Die haben sich noch nie leiden können. Kannst du dich nicht erinnern, wie oft sie früher miteinander gestritten haben? Der Sykora wollte dem Fellner immer beweisen, dass man nicht in einen Klub zu gehen braucht, um gut Billard zu spielen. Darum hat er auch diesen unnatürlichen Ehrgeiz entwickelt. Dann die eine Partie, die mit einem Schreiduell endete, weil Sykora behauptet hat, Fellner habe falsch gezählt. Seither haben sie, glaube ich, kein Wort mehr miteinander gesprochen und sind sich aus dem Weg gegangen, wo immer sie konnten. Und jetzt sieht es ganz so aus, als würden sie sich einander morgen im Finale gegenüberstehen und um den Siegespokal und den Aufstieg ins Finalturnier kämpfen. Bis jetzt hat der Chef ja die Partien so geschickt angesetzt, dass der eine schon weg war, wie der andere gekommen ist. Aber bald schlägt die Stunde der Wahrheit.«
    »Lass sie nur schlagen«, bemerkte Korber gleichgültig. »Ich weiß nicht, ich habe im Augenblick einfach keinen Kopf dafür. Ich muss mich wieder mehr auf die Schule konzentrieren.«
    »Ja, ja, auf die Schule! Und auf deine neue Kollegin natürlich auch. Dass du dich nicht in diese Stimmung versetzen kannst, diese knisternde Spannung, die herrschen wird, wenn sie nach so langer Zeit wieder aufeinandertreffen«, fuhr Leopold unbeirrt fort. »Der Klubspieler und der reine Amateur, der mit dem großen Mundwerk und der Ehrgeizling. Das polarisiert. Das Kaffeehaus wird zum Platzen voll sein. Und weißt du, was das bedeutet?«

    »Dass du dir eine ganz schöne Menge Trinkgeld erschnorren wirst«, sagte Korber lakonisch.
    »Ach, Unsinn.« Leopold machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du weißt, ich habe da meine eigene Theorie des Verbrechens, und einer der Kernpunkte lautet: Je mehr Leute, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein krimineller Akt geschieht. Ich werde dir das anhand eines kleinen Beispiels erläutern: Im Augenblick etwa ist hier herinnen nicht viel los, und es hängen auch nur ein paar leichte Mäntel und Jacken herum. Da würde man schnell bemerken, wenn sich jemand einfach ein Stück schnappt und damit abhaut. Ist aber das Kaffeehaus am Abend gut besucht und die ganze Garderobe voll mit Gewand, dann ist es nicht mehr so leicht, festzustellen, was wem gehört. Der ausgefuchste Dieb kommt mit einem alten, verlotterten Mantel und geht mit einem neuen davon. Wer soll das schon bemerken? Außerdem: Für
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