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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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Garderobe keine Haftung. Du verstehst doch, was ich meine?«
    »Einstweilen kann ich dir noch folgen.«
    Korber kannte seinen Freund. In seiner Begeisterung fürs Kriminalistische war er kaum zu bremsen. Zeitweilig sah er aus jeder Ecke das Böse kommen, und jeder Kaffeehausgast war für ihn nicht zuletzt ein potenzieller Täter. Auch jetzt bekamen Leopolds Augen wieder einen seltsamen Glanz.
    »Das ist nur ein Beispiel für ein geringfügiges Vergehen«, fuhr er fort. »Aber, und ich sag’s nicht gerne, die Masse verleitet natürlich auch zu schlimmeren Taten, bis hin zu einem Mord. Die Menschen werden anonym, die Situation ist unüberschaubar … wie leicht kann da etwas passieren. Morgen Abend zum Beispiel: eine angespannte Situation, ein Gedränge, die Nerven flattern. Plötzlich entlädt sich alles in einer Gewalttat. Aber keinem fällt etwas auf. Das wäre doch genial: Ein Lokal voll möglicher Täter, ein Lokal voll mit Zeugen, dennoch bleibt ein Mörder unerkannt, weil niemand etwas gesehen hat.«
    »Leopold, du spinnst«, sagte Korber. »Komm, ich möchte zahlen.«
    Während er sein Geld auf die Theke legte und dabei auch nicht eine kleine Turnierspende zu entrichten vergaß, ahnte keiner der beiden Herren, wie schnell sich Leopolds Prophezeiung erfüllen sollte. Und Thomas Korber hatte überhaupt im Sinn, dem Turnierfinale am nächsten Tag fernzubleiben. Aber wieder einmal kam alles ganz, ganz anders.



2

    Als sie einander am nächsten Tag in der Schule begegneten, war noch alles beim Alten. Maria versicherte Korber, dass sie um Punkt sieben Uhr abends zur Stelle sein werde. Sie freue sich schon.
    Angesichts des prächtigen Wetters – es war schon beinahe zu warm für diese Jahreszeit – war Korber nicht abgeneigt, ein wenig hinauszufahren und den Abend in einem heimeligen Heurigengarten zu verbringen. Warum nicht? Die laue Frühlingsluft in Verbindung mit einem guten Gläschen Wein in romantischer Umgebung eröffnete verheißungsvolle Aussichten. In die Stadt konnte man ein andermal fahren. Aber aus Erfahrung wusste er, dass Frauen immer andere Ideen hatten als man selbst.
    Man würde sehen. Zunächst einmal bereute er es, in seinem Übereifer so früh zum vereinbarten Treffpunkt vor dem Bahnhof gekommen zu sein. Von Maria keine Spur. Nur eine etwas scheu und ängstlich wirkende junge Frau mit einer auffälligen roten Haube stand so herum, als ob sie ebenfalls auf jemanden warten würde, und biss sich dabei sämtliche Fingernägel ab. Er ärgerte sich, dass er Maria nicht um ihre Telefonnummer gefragt hatte. Konnte es sein, dass sie nicht herfand? Dass sie woanders auf diesem großen Platz wartete? Oder war sie einfach nur unpünktlich?
    Unruhig ging Korber vor dem Bahnhof umher. Dabei ließ er seinen Blick in der Bahnhofshalle auf und ab schweifen, um sich ein wenig abzulenken. Der neu umgebaute Bahnhof Floridsdorf bot dabei keine schöne Ansicht. Er wirkte auf ihn ebenso kalt und ohne Charakter wie der alte, den er ersetzte, nur eben viel größer. Mussten alle Zweckgebäude so hässlich sein? Tausende von Menschen eilten hier täglich zu ihren Zügen und hatten dabei wohl keine Zeit, etwas von der architektonischen Trostlosigkeit auszumachen, die sie durchquerten. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, niemand blieb länger als unbedingt notwendig. Nur die üblichen zwielichtigen Gestalten, die sonst nirgendwo Unterschlupf fanden, hielt es zwischen den nüchternen, grauen Wänden. Sie vervollständigten das allgemeine Bild des Jammers.
    Korber wurde immer ungeduldiger. Wo blieb Maria bloß? Er wollte sich so schnell wie möglich von diesem unfreundlichen Ort entfernen.
    Das nervöse Rotkäppchen stand immer noch da und bearbeitete seine Fingernägel. Plötzlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, und sie winkte jemandem freudig erregt zu. Korber glaubte die Person zu kennen, die bei seiner Nachbarin ein solches Entzücken hervorrief und jetzt rasch durch das allgemeine Gewirr von Menschen näher kam: Es war Maria.
    »Da seid ihr ja schon, alle beide«, sagte sie mit aus Verlegenheit deutlich gerötetem Gesicht. »Ich hoffe, ich habe euch nicht zu lange warten lassen. Ingrid, das ist mein Kollege Thomas Korber, von dem ich dir schon erzählt habe. Thomas, das ist meine Freundin Ingrid Grabner.«
    Ingrid lächelte kurz, als sie einander zur Begrüßung die Hand gaben. Trotzdem merkte man die Spannung, die zwischen beiden herrschte.
    »Ach, Ingrid, hol mir bitte schnell eine Schachtel
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