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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage
Autoren: Hermann Bauer
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jovial und so gar nicht Unheil verkündend. »Schön, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben. Das ist Professor Thomas Korber, von dem ich Ihnen schon erzählt habe, und das ist unsere neue Kollegin aus der Steiermark, Frau Professor Hinterleitner.«
    »Sehr erfreut.« Korber streckte seinem attraktiven Gegenüber noch immer leicht verwirrt die Hand zum Gruß entgegen. Nur langsam begriff er, dass er hier nicht zu einem disziplinären Gespräch eingeladen war, sondern dass es offensichtlich um etwas völlig anderes ging.
    »Frau Professor Hinterleitner hat, wenn Sie sich erinnern können, bereits in unserer letzten Semesterkonferenz Erwähnung gefunden«, fuhr Marksteiner fort. »Es war vorgesehen, dass sie im Herbst von ihrer Stammschule in Hartberg in der Oststeiermark an unser Gymnasium wechselt. Aber die Dinge haben dann einen ganz anderen Lauf genommen. Unsere liebe Kollegin Stieglitz ist, wie Sie ja wissen, leider ab heute in Krankenstand und kann in diesem Schuljahr nicht mehr unterrichten. Frau Hinterleitner hat andererseits ihre Zelte in Hartberg so gut wie abgebrochen und möchte sich in Wien häuslich niederlassen. So ist es uns gelungen, sie bereits mit heutigem Tag für den Unterricht an unserer Schule zu gewinnen. Sie wird Kollegin Stieglitz zunächst bis zum Sommer vertreten und dann ab Herbst im Rahmen einer vollen Lehrverpflichtung bei uns bleiben.«
    Na großartig, sinnierte Korber. Die Unterredung begann, ihm Spaß zu machen.
    »Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, lieber Korber, was das Ganze mit Ihnen zu tun hat. Nun, Frau Hinterleitner unterrichtet Deutsch und Englisch, genau wie Sie, und zum Großteil auch in denselben Klassen wie Sie. Da liegt es sozusagen auf der Hand, dass ich Sie bitte, die neue Kollegin an Ihre pädagogische Brust zu nehmen. Wir haben zwar alle schriftlichen Unterlagen von Frau Professor Stieglitz, aber es geht mir in erster Linie ums Feingefühl, wenn Sie verstehen, was ich meine. Machen Sie Frau Hinterleitner vertraut, was hier bei uns so der Brauch ist, Korber, und gehen Sie die schwierigen Fälle mit ihr durch, damit wir bei Notenschluss keine Probleme haben. Sie kennen unsere Pappenheimer ja in- und auswendig. Selbstredend haben Sie von mir schon jetzt alle erdenklichen Freiheiten, Frau Kollegin, trotzdem bitte ich Sie, ein wenig auf unsern Korber und seine Ratschläge zu hören.«
    »Aber das ist doch selbstverständlich«, lächelte die Angesprochene und zwinkerte Korber zu. »Ich freue mich schon auf eine gute Zusammenarbeit.«
    »Na, dann ist ja alles in bester Ordnung«, vermerkte Marksteiner zufrieden. »Nützen Sie noch den Rest der Stunde und gehen Sie zusammen die Unterlagen der armen Stieglitz durch. In der Pause werden Sie dann von mir dem gesamten Kollegium vorgestellt, ja, Frau Professor? Und wenn der liebe Korber Ihnen näher als dienstlich erlaubt kommt, seien Sie streng.«
    »Ich werde mich zu wehren wissen«, sagte Frau Professor Hinterleitner und sah gar nicht so aus, als ob sie das tun wollte.
    »Na, dann wünsche ich erst einmal gutes Gelingen. Ich hoffe, Sie werden sich bei uns bald wohlfühlen, Frau Kollegin. Und Sie, Korber, bleiben mir brav.« Mit diesen Worten schüttelte Marksteiner beiden die Hand, hakte geistig einen Tagesordnungspunkt ab und komplimentierte die zwei anschließend auf den nüchternen, kühlen Gang hinaus.
    »Sind Sie denn so ein Frauenheld, dass man vor Ihnen Angst haben muss?«, fragte die Hinterleitner.
    »Nein, nein, eher das Gegenteil«, wehrte Korber ab. »Aber es gab einmal eine Beschwerde wegen einer Schülerin gegen mich. Gott sei Dank ist die Sache im Sand verlaufen.«
    »Ach so! Entschuldigen Sie, wahrscheinlich bin ich wieder einmal viel zu neugierig. Ich sollte nicht so viele Fragen stellen. Ich heiße übrigens Maria.«
    »Und ich Thomas. Es wäre mir überhaupt viel lieber, wenn wir uns duzen würden.«
    »Na klar, Thomas.«
    »Dann möchte ich dich jetzt etwas fragen. Wie hat es dich eigentlich zu uns verschlagen?«
    Maria lachte laut auf: »Oh, das ist eine lange Geschichte. Ich bin frisch geschieden, und mein Mann arbeitete an derselben Schule wie ich. Du wirst verstehen, dass mir nicht viel daran gelegen ist, in Hartberg zu bleiben. Aus den Augen, aus dem Sinn. Und ich weiß nicht, irgendwie hat es mich schon immer gereizt, einmal in Wien zu leben.«
    »Du hast also vor, in Wien zu bleiben?«

    »Ja, zumindest für die nächsten paar Jahre. Natürlich ist alles viel schneller gegangen, als ich
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