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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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ernst genommen wird. Die Frage war nun: Hatte sie ein Frühchen getötet oder war der Fötus bereits bei Ankunft tot gewesen? Es gab jedoch weder ein Ergebnis noch kam es zu einer Strafanzeige.
    Ich war Ted Lopez und seinen Leuten von der Crime Scene Unit sehr dankbar. Dankbar, dass sie sich an meiner statt die verstopfte Toilette vornahmen. Ich kenne die Jungs gut. Letzten Monat hatten wir einen Mord/Selbstmord, den Monat zuvor eine Art Geiselnahme. Mit den Leuten von der Spurensicherung war ich inzwischen per Du.
    Bill und Rosie Hildebrand bewohnen ein Dreizimmerapartment – eine Suite, wie man die Räume in Zeiten, als noch von einem Motel des gehobenen Standards gesprochen werden konnte, bezeichnet hatte. Die Hildebrands sorgen regelmäßig für eine Verstopfung ihrer Toilette. Die Woche zuvor hatte ich ein völlig aufgeweichtes Taschenbuch zutage gefördert. Einige Wochen früher gestrickte Zierdeckchen. Also machte ich mich auf den Weg zu 24-D, Spirale, Rohrfräse, Gummisauger, ein rotes Bandanna und Chemikalien gegen Scheiße in meiner Werkzeugkiste, bereit, die Herausforderung anzunehmen.
    Die Hildebrands sind Säufer aus Überzeugung. Rosie ist um die siebzig, Bill nicht mal sechzig, dennoch sieht er älter aus als sie. Äußerlich ähneln sie einander sehr – farblose, unbedeutende Menschen mit leblosen Gesichtern. Sie haben sechs fette Katzen – vier mehr, als vom Vermieter erlaubt – und ein Aquarium. Der Vermieter lebt in Austin, sechshundert Meilen östlich von hier, demzufolge obliegt es mir, auf die Einhaltung der Hausordnung zu drängen, und ich bin eher nachgiebig, um ein gutes Auskommen mit den Mietern bemüht.
    Überall im Apartment lagen fette Katzen. Leguane im Fellkleid. Ich ersparte mir das »Hallo«, denn Bill und Rosie sahen Jeopardy!, einen Krug Gallo Vin Rose zwischen sich auf dem Tisch. Rosie trug Kittel, Pantoffeln und Nylonkniestrümpfe, die bis zu den Knöcheln heruntergerollt waren. Ihre Beine sahen aus wie in Folie eingeschweißte Knochen. Mitten auf dem Kopf, kreisrund und so groß wie ein Silberdollar, sah man eine kahle Stelle, die sie als »meine Kippah« zu bezeichnen pflegt. Bill steckte wie immer in diesem 70er-Jahre-Anzug – bohnengrün, mit breiten Revers. Die käseweißen Füße waren nackt, die rissigen, gangränösen Fußnägel blau verfärbt. Er zeigte Richtung Badezimmer. Der Gestank schnürte mir die Kehle zu. Ich leide sehr schnell unter Brechreiz, beim Klempnern ein echtes Manko. Also band ich mir das Bandanna vor Mund und Nase und ging hinein.
    In der Toilettenschüssel stand das dunkle Wasser bis zum Rand. Ich versuchte, der Brühe mit dem Gummisauger beizukommen. Ohne Ergebnis. Ich nahm das Bandanna ab und ging zurück ins Wohnzimmer. »Sag mal, Rosie, hast du etwa Katzenstreu ins Klo gekippt?«
    Sichtlich verärgert über die Störung, riss sich Rosie von Jeopardy! los. »Na klar«, sagte sie mit säuerlicher Miene, »ich war extra draußen, hab fünf Tüten Katzenstreu gekauft und in die Terrine geschüttet. So was mach ich manchmal, nur so aus Spaß.« Ihr Teint sah aus wie Haferbrei und an der Nase blühte ein zehncentstückgroßes schorfiges Krebsgeschwür.
    Ich schöpfte das Wasser aus der Kloschüssel, zog die Toilette komplett vom Abflussrohr ab und führte die Fräse direkt in das offene Rohr. Zwar kamen jede Menge organischer Partikel zum Vorschein, doch die Verstopfung blieb. Jetzt hatte die Spirale ihren Einsatz. Ich schob sie ungefähr zweieinhalb Meter ins Rohr. Als ich sie wieder rauszog, sah ich, dass ich einen Fisch aufgespießt hatte. Einen monströsen Piranha. Ich ging damit ins Wohnzimmer.
    »Das könnte Carlotta sein«, meinte Bill Hildebrand und zeigte auf den Fisch. Er stand auf und nahm mich beiseite, so dass Rosie uns nicht hören konnte. »Rosie war ziemlich wütend auf Carlotta, weil sie die anderen kleinen Kerle aufgefressen hat«, flüsterte er.
    Unsere Blicke wanderten zu Rosie. Die hatte nur Augen und Ohren für Jeopardy! »Was ist der Pawlow’sche Hund?«, rief sie und versuchte, der ratlosen Gemeinde auf der Mattscheibe mit der richtigen Frage weiterzuhelfen. »Kommt schon, ihr trüben Tassen: Was ist der Pawlow’sche Hund?«
    »Rosie könnte richtig abräumen, wenn die sie in die Show lassen würden.« Bill kicherte stolz.
    »Warum hat sie Carlotta eigentlich zu den anderen gelassen?«, fragte ich.
    Mit zittrigen Fingern griff Bill mein Handgelenk und kam ganz dicht heran. Sein Atem roch faulig. »Es ging um die kleinen
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