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Kannst du mir verzeihen

Kannst du mir verzeihen

Titel: Kannst du mir verzeihen
Autoren: Sarah Harvey
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Ärmel seines Mantels ab.
    Annie sah von ihm zu Hanny zu ihm und wieder zu Hanny. Sie musste sich sehr beherrschen, angesichts ihrer Mienen nicht loszuprusten vor Lachen.
    Die eine Miene war schieres Entsetzen, die andere Fassungslosigkeit.
    Dann beschloss Annie, ohnehin nichts anderes tun zu können, als zu lachen. Also gackerte sie los.
    Â»Jetzt geht es mir schon viel besser«, verkündete sie, hüpfte vom Sofa und strahlte die staunenden Gesichter an. »Wer will einen Eggnog?«
    Und damit sprang sie wie ein gesundes junges Reh an ihnen vorbei in die Küche.
    Mit heruntergeklappter Kinnlade sah Hanny ihr nach. Dann wandte sie den Blick zu Bastian, der ziemlich dumm aus der Wäsche guckte.
    Hanny wackelte noch einmal mit dem Kopf, dann folgte sie ihrer Oma.
    Annie wusste genau, dass sie kommen würde. In abwehrender Haltung an die Arbeitsfläche gelehnt, wartete sie auf ihre Enkelin und deren Standpauke.
    Â»Sag mal, was sollte das denn jetzt bitte?!?!«
    Offenbar hatte Annie Schlimmeres erwartet, denn sie begann zu lächeln. Allerdings nur, bis eine weitere Stimme sich erhob: »Das wüsste ich allerdings auch gerne.«
    Bastian hatte sich von dem Schrecken ausreichend erholt und war ihnen in die Küche gefolgt. Noch bevor Annie etwas sagen konnte, legte er los:
    Â»Das darf ja wohl nicht wahr sein, Annie! Ist dir klar, dass ich ein ganzes Wartezimmer voller wirklich kranker Patienten in der Praxis zurückgelassen habe, um dir zu Hilfe zu kommen? Und du ... du ...«
    Ihm fehlten die Worte.
    Immerhin setzte Annie einen etwas betretenen Blick auf, als sie das von den wirklich kranken Patienten hörte. Aber ihr Mitleid hielt sich in Grenzen.
    Hanny und Bastian sahen sie streng an. Sie fanden, in dieser Situation war ein höherer Grad der Zerknirschung angezeigt, sie erwarteten sogar eine Erklärung oder Entschuldigung.
    Aber da warteten sie vergeblich.
    Â»Ich bin eine elende, sich überall einmischende alte Schachtel und stolz darauf!«
    Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust und hielt ihren Blicken stand.
    Â»Du willst uns das also nicht erklären?«
    Â»Also, wenn ihr wirklich zu blöd seid, um selbst draufzukommen, dann kann ich euch auch nicht mehr helfen!«
    Natürlich waren sie nicht blöd, kamen sich in diesem Moment allerdings verdammt blöd vor. Was sie ihnen demonstrieren wollte, konnte ja nicht klarer auf der Hand liegen.
    Hanny schwieg. Bastian seufzte und schüttelte den Kopf.
    Â»Das ist doch verrückt!«
    Â»Amen!«, brummte Annie.
    Er ignorierte sie.
    Â»Ich muss zurück zur Arbeit.«
    Er sah Hanny an.
    Voller Hoffnung.
    Und obwohl es ihr endlich gelang, seinem Blick zu begegnen, den Blick des Mannes zu erwidern, den sie in den letzten Wochen gemieden hatte wie der Teufel das Weihwasser, brachte sie keinen vernünftigen Satz über die Lippen. Ihr Mund war wie ausgetrocknet.
    Kein Ton wollte ihr entweichen. Auch nicht, als er seine Tasche und seinen Mantel nahm und Annie tadelnd ansah. Auch nicht, als sie das Gefühl hatte, sich für ihre Oma entschuldigen und für seinen schnellen Einsatz bedanken zu müssen.
    Na, los.
    Sag was.
    Sprich mit dem Mann.
    Mach den Mund auf.
    Aber es ging nicht.
    Erst, als er schon fast zur Tür hinaus war, krächzte sie ein leises »Entschuldigung«, gefolgt von einem noch leiseren »Danke«.
    Er blieb kurz stehen, sah sich zu ihr um und nickte. Dann schüttelte er den Kopf und lächelte so wehmütig, dass es ihr in der Seele wehtat, als er schließlich weg war.
    Â»Himmelherrgott noch mal!«
    Dieser Gefühlsausbruch kam von Annie.
    Â»Was muss denn bitte noch passieren, damit du endlich über die Sache hinwegkommst, Hanny? Ich verstehe dich ja, wirklich, wahrscheinlich mehr, als du glaubst, aber jetzt reicht’s! Jetzt muss Schluss sein. Aber nicht mit dir und Bastian. Wenn ihr beiden wegen dieser Lappalie auseinandergeht, dann begeht ihr den größten Fehler eures Lebens. Und du weißt genau, dass ich das eben alles nur gemacht habe, um euch genau das klarzumachen. Hat Bastian den Kuss von mir erwartet? Nein. War Bastian scharf auf diesen Kuss? Ganz sicher nicht. Trotzdem hat er mich geküsst! Gegen seinen Willen! Wenn man erst mal so alt ist wie ich, Kleines, und so oft verheiratet war wie ich, dann kennt man sich mit der Liebe ein klein wenig aus. Ein Kuss kann so vieles sein. Und dieser Kuss – der Kuss, den
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