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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen
Autoren: Barbara Streidl
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Erfahrung kennt. Und dass es ihn ja nichts angeht, ob ich noch mehr Kinder möchte. »Ich bin mit Ihnen und Ihrer Arbeit zufrieden und würde es gerne sehen, wenn Sie weiter für mich arbeiten«, sagt er.
    »Können Sie sich vorstellen, mir mehr Verantwortung zu übergeben?«, frage ich. »Prinzipiell ja«, sagt er. Er lobt meine Zuverlässigkeit und dass ich immer weiß, wie ich Aufträge zu seiner Zufriedenheit erledigen kann. Was denn in den letzten Jahren in Sachen Weiterbildung geschehen ist, will er dann wissen und blättert in der roten Mappe. »Nicht sehr viel«, sage ich. Und dass ich daran Interesse hätte – weitere Qualifikationen zu erlangen, sei ja auch im Sinne der Firma.
    »Diese junge Mitarbeiterin«, sagt er, »ist die gut?« Ich wittere erneut eine Falle, und zwar eine für sie und für mich. Ich sage, dass die Zusammenarbeit mit meiner Assistentin angenehm verläuft, dass sie selbstständig und zuverlässig die Aufgaben erfüllt, die anstehen. Dass sie mir zuarbeitet und mich unterstützt. »Aha«, sagt er. Ich bin mir nicht sicher, ob ich gut geantwortet habe. Also hole ich weiter aus. »Es ist natürlich anders als früher, als ich noch Vollzeit gearbeitet habe und alle Aufgaben allein erledigt habe. Ich sage anders, nicht schlechter. Ich kann mir aber gut vorstellen, einzelne Projekte vollständig an meine Assistentin abzugeben, um so die Möglichkeit zu haben, mich anderen, langfristigeren, komplexeren Dingen zuzuwenden.« Ich hole tief Luft. »Ich schlage Folgendes vor: Wir vereinbaren einen Termin in der nächsten oder übernächsten Woche, und ich werde Ihnen konkrete Ideen für meine Zukunft vorlegen. Und Sie mir.«
    »Einverstanden«, sagt der Vorgesetzte. Es klopft an der Tür. Die Sekretärin kommt herein und schaut mich an. »Ihr Sohn«, beginnt sie, da läuft der Kleine an ihr vorbei auf mich zu. Die junge Kollegin folgt ihm. »Mama, ich hab dich gesucht«, sagt mein Sohn. »Er wollte unbedingt zu dir«, sagt die junge Kollegin und lächelt unsicher. Ich nehme den Kleinen auf den Arm und stelle ihn dem Vorgesetzten vor. »Wir haben ja alles besprochen, wegen des Termins meldet sich meine Sekretärin«, sagt er. Er wendet sich an den Kleinen. »Na, du kleiner Mann – hältst hier gleich drei Frauen auf Trab?« Er streichelt ihm über den Kopf und fragt: »Wie heißt du denn?« – »Tika«, sagt mein Sohn. »Aha«, sagt mein Vorgesetzter und nickt mir zu. Termin beendet.
    Ich verabschiede mich und gehe mit Kind und Kollegin zurück in mein Büro. Im Gang kommt uns der Kollege aus der IT -Abteilung entgegen, den ich letzte Woche so zurechtgewiesen habe. »Das nenne ich wahre Vereinbarkeit von Beruf und Familie«, sagt er. »Kindergarten und Büro auf einem Stockwerk.«
    Kurz stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn meine Firma ein Eltern-Kind-Zimmer hätte. Dann wären Tage wie dieser deutlich stressfreier für mich. Es wäre zwar trotzdem eine Ausnahme, mein Kind mit ins Büro zu nehmen, aber es gäbe wenigstens einen Raum mit Spielsachen, die Möglichkeit, eine Kinderbetreuung zu kontaktieren. Und vor allem eine gewisse Normalität – hätten mehr Kolleginnen und Kollegen kleine Kinder, würde sich so eine Einrichtung wirklich lohnen.
    14:36 Uhr. Ich packe DVD , Stifte, Bilder, das neue Heft aus dem Firmencopyshop und den Plüschhasen in meine Tasche. »Wir besuchen jetzt die Oma im Krankenhaus«, sage ich zu meinem Sohn. »Juhu«, ruft er. Er ist froh, das Büro verlassen zu können und die Oma zu treffen. Mir geht es ähnlich. Bis auf den Ort unseres Treffens – das Krankenhaus.
    Wir verabschieden uns von meiner Kollegin. Dann fahren wir mit dem Aufzug nach unten und gehen zur Bushaltestelle. Die Ampel ist grün. Wir müssen nicht hetzen, sondern kommen in gemächlichem Tempo an der Haltestelle an. Der Bus fährt vor. Wir finden zwei Sitzplätze. Am Bahnhof müssen wir aussteigen, um mit einem anderen Bus zum Krankenhaus zu kommen. Ich bin froh, dass wir nicht lange auf den anderen Bus warten müssen, denn ich fühle mich ganz schön erledigt. Es ist erst Montag, und der Tag war so anstrengend wie eine ganze Woche. Mein Sohn zählt auf, was er vom Busfenster aus sehen kann: einen Lastwagen, einen Mann, der einen Fahrradanhänger schiebt, einen großen Kran.
    Auf dem Weg von der Bushaltestelle zum Haupteingang des Krankenhauses gehen wir am Krankenhausgarten vorbei. »Da sind aber viele Omas«, sagt der Kleine. Er hat Recht. Bestimmt zehn ältere Frauen in Bademänteln sitzen dort,
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