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Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Titel: Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
Autoren: Mina Wolf
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Natürlich nicht, ohne mir dabei etwas zu wünschen …

Der Duft der großen weiten Welt
     
    »Frau Schäfer? Mein Name ist Sommer, ich bin vom Gebäudereinigungsservice Kohlmann. Sie hatten sich bei uns als Reinigungskraft für ein Objekt in München beworben, ist das richtig?«, meldete sich eine sympathische Frauenstimme an meinem Telefon.
    »Ja …«, antwortete ich zögernd.
    »Wir wollten uns für Ihr Interesse an unserem Unternehmen bedanken und Ihnen hiermit mitteilen, dass wir uns für Sie entschieden haben. Sie dürfen nächste Woche Montag bei uns anfangen, falls Sie sich inzwischen nicht anders entschieden haben?«
    »Ähm, nein … Vielen Dank, das … freut mich«, stotterte ich und schwankte zwischen Verzweiflung und Dankbarkeit.
    »Sehr schön, dann sehen wir uns Montag um fünf Uhr. Bitte kommen Sie direkt zum betreffenden Objekt, dann werden Sie vor Ort eingewiesen.« Frau Sommer nannte mir eine Adresse und ich kritzelte sie schnell auf den kleinen Betty-Boop-Block, der immer neben meinem Telefon lag.
    »Fünf Uhr morgens?«, fragte ich verunsichert nach.
    »Ja, genau. Der frühe Vogel fängt den Wurm, nicht wahr?« Die Dame von der Reinigungsfirma lachte ein glockenhelles Lachen, dann verabschiedete sie sich förmlich und legte auf. Bestimmt musste die nicht so früh aufstehen, die hatte ja leicht reden.
    Ich legte das Mobilteil meines Telefons zurück auf die Ladestation und starrte auf die Notiz, die vor mir auf dem Tisch lag. Diese Adresse kam mir irgendwie bekannt vor … Aber warum? Ich zog sämtliche Schubladen meines Gedächtnisses auf und wühlte in meinen Erinnerungen, kam aber zu keinem nennenswerten Ergebnis. Scheinbar nahm das Erinnerungsvermögen schon mit 23 ab.
    Tja, jetzt hatte ich also einen Job als Reinigungskraft. Auf gut Deutsch bedeutete das: Ich war Putzfrau. Klasse! Ich hatte mein Abitur gemacht und Kommunikationswissenschaften studiert, um Putzfrau zu werden!
    Dass ich mich überhaupt auf diese Stelle beworben hatte, war eher ein Verzweiflungsakt gewesen, nachdem ich auf all meine anderen Bewerbungen nur Absagen erhalten hatte. Eine Studienabbrecherin ohne abgeschlossene Ausbildung … Jemand wie ich hatte auf dem derzeit so umkämpften Arbeitsmarkt eher schlechte Karten, und das bekam ich auch deutlich zu spüren.
    Ich griff nach dem Telefon und wählte Ninas Nummer.
    »Nina, ich bin’s.«
    »Hi, Vicky. Na? Was gibt’s Neues?«
    »Ich habe einen Job.«
    »Wirklich?«, kreischte sie begeistert los. »Als was denn?«
    Es dauerte einen Moment, bis ich antwortete. »Als Putze«, sagte ich dann trocken und kritzelte mit meinem Kugelschreiber wilde Muster auf den Block vor mir.
    »Oh.« Ninas Begeisterung verebbte hörbar. »Na, ist doch besser als gar nichts.« Als ich nicht antwortete, hakte sie nach. »Oder?«
    »Ja, schon. Zumindest bin ich froh, dass ich jetzt endlich irgendwas gefunden habe.«
    »Das klingt ja sehr motiviert!«, stellte Nina nüchtern fest.
    »Na ja, ist ja auch nicht unbedingt mein Traumjob.«
    »Schon klar.«
    »Aber für den Anfang ist der Job ganz okay. Ich kann ja nebenher die Augen nach etwas Besserem offen halten.«
    »Ja, da hast du recht. Wann musst du denn anfangen?«, fragte sie dann.
    »Am Montag. Um fünf Uhr!«
    »Morgens?«, fragte Nina entsetzt. »Spinnen die?«
    »Schätze, die wollen, dass alles sauber ist, bevor die Leute in die Arbeit kommen. Ich muss irgendwelche Büroräume putzen, stand zumindest in der Stellenanzeige damals.«
    »Aber so früh?« Nina konnte es immer noch nicht fassen.
    »Na ja, ich werd an dich denken am Montag. Natürlich erst, wenn ich wach bin …«
    »Bis dahin bin ich zwar bestimmt schon fertig mit meiner Arbeit, aber danke trotzdem.« Ich seufzte schwer.
    »Lass den Kopf nicht hängen, Vicky! Du musst es positiv sehen: Sobald du wieder ein bisschen mehr Geld hast, können wir endlich mal wieder zusammen in die Grinsekatze gehen!?«, schlug Nina vor.
    »Tolle Idee. Also mach’s gut.«
    »Mach’s besser. Ciao, Süße.«
    Und nun stehe ich in der Dunkelheit vor dem Eingang dieses riesenhaften Gebäudes, das ich nicht als Journalistin, sondern als Reinigungskraft betreten soll. Ich spüre Tränen in mir aufsteigen, blinzele ein paarmal und steige dann entschlossen die Stufen bis zur gläsernen Drehtür hinauf. Ich werde mich nicht kleinkriegen lassen! Jetzt erst recht nicht!
    Als ich das Foyer betrete, entdecke ich eine ältere Frau, welche in einem blauen Kittel steckt und mir erwartungsvoll entgegensieht.
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