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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi
Autoren: Osman Engin
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verraten?
    »Hör auf rumzus tottern«, sagt der Sprengmeister, »während ich hier die Zündschnüre verlege, kannst du zum Werkzeugmeister gehen und die acht Stangen Dynamit herbringen. Du brauchst es nur abzuholen, ich habe schon alles unterschrieben. Pass bloß auf, dass du Versager dic h mit dem Sprengstoff nicht selbst in die Luft jagst. Immer dran denken: Dynamit darf man nicht ins Feuer halten und nicht drauf rumkauen. Haa haaa hooo.... los, zisch ab, du Depp!«
    Wütend und total erschöpft schleppe ich mich zum Werkzeugcontainer und erhalte vom Magazinbullen acht Stangen Dynamit in einem kleinen Holzkasten. Wenn ich gewusst hätte, dass die Idioten vom Kernkraftwerk mir von selbst einen Kasten Dynamit schenken, dann hätte ich mir mit den Molotowcocktails nicht solche Mühe gegeben.
    Mit der Sprengstoffkiste unter dem Arm laufe ich um die gesamte Baustelle herum und betrete durch eine Stahltür das Hauptgebäude vom Kernkraftwerk. Ich laufe etwas ziellos in dem großen Gebäude herum. So was Imposantes wie diese Turbinen habe ich noch nie gesehen. Der Hochofen bei uns in Halle 4 ist nichts dagegen.
    Ich laufe die Treppen bis nach oben. Ein schmaler, langer Flur, noch eine Tür, und ich stehe in einem riesigen Raum. So ähnlich wie die Kommandozentrale vom Raumschiff Enterprise.
    Dutzende von Computern, Hunderte von Monitoren und Tausende von bunten Knöpfen.
    Ich bin im Herzen des Kernkraftwerkes. Von nun an werde ich allein die Regeln bestimmen!
    Und ich habe einen guten Zeitpunkt erwischt, denn das gesamte Personal ist in der Kaffeepause. Die
    Kommandoze ntrale ist menschenleer. Auf einmal höre ich aufgeregte Stimmen und laute Schritte draußen auf dem Flur.
    Ich reiße blitzschnell die Kiste auf und hole eine Stange Dynamit nach der anderen raus. Mit der rechten Hand entzünde ich mein Feuerzeug.
    »Was machen Sie denn hier? Hier hat keiner was zu suchen!
    Wie sind Sie hier reingekommen?« fragen mich die beiden Angestellten ziemlich aufgeregt.
    »Nicht näherkommen«, brülle ich, »kommt bloß nicht näher.
    Sonst jage ich das Kernkraftwerk und die ganze Gegend hier in die Luft! Sofort raus hier! Hiermit erkläre ich dieses Kernkraftwerk für besetzt!«

    Montag, 25. Juni, 16:11 Uhr

    »Jetzt bist du ein Terrorist! Bei Allah, du bist ein Terrorist!«
    brüllt einer der beiden Osis in mein Ohr, »bis jetzt war deine Abschiebung ein klassischer Behördenfehler! Aber ab jetzt wirst du von der Kripo, GSG 9, Interpol und Mafia gejagt!«
    »Was, von der Mafia auch?«
    »Na logisch! Die dulden auch keine Konkurrenz.«
    »Ist doch völlig egal, ob sie uns als ehrenwerten Menschen oder bösen Terroristen abschieben. Vertreibung bleibt Vertreibung! Oder besser gesagt, »ethnische Säuberung«, wie es jetzt so schön auf Neudeutsch heißt.«
    »Jetzt seid doch endlich ruhig da hinten«, versuche ich wieder Herr der Lage zu werden, »ich muss jetzt jeden Schritt ganz genau überlegen. Schließlich besetzt man nicht jeden Tag ein Atomkraftwerk. Heute ist mein erster offizieller Tag als Gesetzesbrecher. Möglicherweise wäre es besser gewesen, stattdessen den Tante Emma-Laden von Walter Leckmikowski zu besetzen.«
    »Richtig, wir hätten klein anfangen sollen, erst ein kleiner Gemüseladen, dann vielleicht eine Zeitungsredaktion und ganz zum Schluss erst ein Kernkraftwerk.«
    »Unglaublich, wie einfach es war, in dieses Kernkraftwerk reinzukommen. Selbst beim Besetzen des Gemüseladens hätte ich mehr Schwierigkeiten bekommen. Da hätte sich mir bestimmt dieser verdammte Walter Leckmikowski in den Weg gestellt und mit faulen Tomaten geworfen. Aber hier war es ja noch einfacher als das Besetzen des Bahnhofsklos. Selbst da wäre die Klofrau energischer zur Sache gegangen und hätte mir den Groschenteller auf den Kopf geknallt.«
    »Aber wie sollen die auch damit rechnen, dass bestellte Bauarbeiter das Kernkraftwerk im Handumdrehen besetzen. Die Klofrau wüsste auch nicht, dass der gerufene Klempner vom Rohr-Frei-Service ihr Klo beschlagnahmen will.«
    Plötzlich klingelt das Telefon neben der Monitorwand. »Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht helfen«, sage ich, »ich bin nur zur Aushilfe hier. Rufen Sie doch nächste Woche wieder an.«
    »Das weiß ich, dass du mit dem Laden nichts zu tun hast, mein Junge«, höre ich die aufgeregte Stimme meines Sprengmeisters am anderen Ende schreien, »hör jetzt endlich auf mit dem Quatsch. Du brauchst doch nicht gleich eingeschnappt zu sein, nur weil ich ein paar dumme Witze
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