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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi
Autoren: Osman Engin
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Tochter damals haben«, höre ich sie aufheulen. »Herr Polizeimeister, Herr Polizeiobermeister Krüger, nehmen Sie die alte Frau aus der Leitung, die macht mich fertig. Seit 33 Jahren muss ich mir das schon anhören. Holen Sie vo n mir aus Ihre Scharfschützen wieder, aber schaffen Sie mir diesen Drachen vom Leib. Ihr Bullen habt echt miese Tricks drauf!«

    »Bitte beruhigen Sie sich doch, Herr Engin, das war nun wirklich nicht unsere Absicht.«
    »Das ist mir doch egal! Mir reicht’s! Ich rede überhaupt nicht mehr mit euch! Ich werde mich in Zukunft nur noch mit eurem großen Boss unterhalten.«
    »Sie wollen mit dem Sprengmeister reden? Der steht gerade neben mir. »
    »Nein, ich will Ihren Oberboss sprechen, den Helmut!«
    »Welchen Helmut? Auf unserem Revier gibts nur einen Helmut, aber der ist kein Oberboss. Er ist bestenfalls der Chef aller Falschparker, denn er stellt jeden Tag mindestens 50
    Strafzettel aus.«
    »Seid ihr denn alle bekloppt! Ich meine doch den Bundeskanzler, den Helmut Kohl, ihr Idioten«, brülle ich in den Hörer und knalle ihn auf die Gabel.
    Ich traue mich immer noch nicht ans Fenster. Ich bin mir absolut sicher, dass sie draußen bestimmt Hunderte von Scharfschützen auf den Bäumen platziert haben. Die warten nur darauf, ein Sieb aus mir zu machen. Nach dem ewigen Üben im Schießkeller sind sie bestimmt ganz wild darauf, ihr Können an einer lebenden Zielscheibe zu beweisen. Auf allen seinen Demos brüllt mein Sohn Mehmet ständig Parolen wie: »Alle Soldaten sind Mörder!« Und was ist mit den Scharfschützen?
    An die hat wieder keiner gedacht! Auf Knien krabbele ich durch das Großraumbüro und durchwühle alle Schubladen. Zu meiner großen Freude entdecke ich ein kleines, funktionierendes Transistorradio:
    »Wie aus gut unterrichteten Kreisen berichtet wird, hat eine Gruppe von schwerbewaffneten Terroristen ein altes Kernkraftwerk in Niedersachsen in ihre Gewalt gebracht. Die Polizei gibt sich noch bedeckt, um die Operation nicht zu gefährden.« Ich wusste es! Ich stehe im Mittelpunkt des Weltgeschehens! Aber was sind das für Leute, diese sogenannten »gutunterrichteten Kreise«? Wen meinen die damit? Wie kann man denn Kreise unterrichten? Ich habe schon bei Mehmet und Hatice als Pädagoge versagt.
    In diesem Moment reißt mich das Telefon aus meinen Überlegungen. Ich schalte das Radio ab und krabbele rüber.
    »Guten Tag, Herr Engin. Hier ist Frau Kottzmeyer-Göbelsberg.
    Was soll diese sinnlose Aktion? Warum haben Sie das Atomkraftwerk besetzt? »
    »Damit Sie endlich einen richtigen Grund haben, mich auszuweisen. Nun gehen Sie schon aus der Leitung. Ich warte auf den Anruf vom Kanzler.«
    »Herr Engin, der Kanzler hat mich beauftragt, Ihnen zu sagen, dass alle Ihre Forderungen erfüllt werden. Wenn Sie rauskommen und die Dynamitstangen abgeben, dürfen Sie in Deutschland bleiben. Ihren Arbeitsplatz bekommen Sie natürlich auch wieder zurück. Und wir werden dafür sorgen, dass Sie Ihren heißgeliebten Gemüseladen bekommen.«
    »Ach, leck mich...!«
    »Jetzt werden Sie aber nicht unhöflich, Herr Engin!«
    »Ich bin nicht unhöflich. Ich wollte Ihnen nur sagen, der Leckmikowski hat den Laden bereits!«
    »Nun ja, aber um eine neue Wohnung kümmern wir uns auch schon. Außerdem kann ich Ihnen mitteilen, dass Ihr Asylantrag endgültig anerkannt wurde.«
    »Ich werde gleich verrückt! Wann kapieren Sie blöde Kuh endlich, dass ich nie einen Asylantrag gestellt habe! Ich glaube Ihnen kein Wort, Sie haben mir doch den ganzen Mist hier eingebrockt!«
    Ich krieche wieder zur meinem Radio und drehe an dem runden Knopf, um einen Sender zu finden, der über mich berichtet. Ich will wissen, wie das Volk über meine Aktion denkt.

    »... Und jetzt das Wetter...«
    Idioten!
    Wen interessiert denn schon das Wetter, wo doch bald die Welt nicht mehr existiert?!
    »... Und für Thomas aus Recklinghausen spielen wir das Lied
    »Halt die Welt an, ich will aussteigen« ...«
    Noch etwas Geduld, Thomas! Gleich steigen wir alle zusammen aus. Und schon wieder klingelt das Telefon. So viele Anrufe bekomme ich zu Hause nicht mal an meinem Geburtstag. Wenn das nicht der ganz große Chef ist, lege ich sofort wieder auf. Von diesen verlogenen Beamten lasse ich mich nicht austricksen.
    »Hallo, Osman, hier ist Hasan, du bist aber schwer zu erreichen«, höre ich meinen Arbeitskollegen rufen, »ich habe bei deinem Sohn Recep angerufen, und deine Schwiegermutter hat mir diese Telefonnummer gegeben. In
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