Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi
Autoren: Osman Engin
Vom Netzwerk:
gehen Sie jetzt runter, ich schäme mich im Beisein nackter Männer zu essen.«
    Da klingelt schon wieder das Telefon.
    »Herr Werkzeugmeister, Sie sehen doch, ich bin beschäftigt, also lassen Sie mich bitte allein, ich muss an die Arbeit.«
    Mit einem sehnsüchtigen Blick auf meinen Döner humpelt der Magazinbulle zur Glastür.
    So viele Anrufe in so kurzer Zeit habe ich noch nie in meinem Leben bekommen. Es war immer Mehmet, der von tausend verschiedenen Frauen ständig Anrufe bekam. Und meine Töchter hingen auch stundenlang an der Strippe. Die übrige Zeit war das Telefon für Eminanim da, die mit allen Weibern aus ihrer Frauengruppe sechzehnmal absprechen musste, was für einen Blätterteig sie für das nächste Klatsch- und Lästertreffen machen soll. Wenn ich es mir so recht überlege, warum habe ich die Kiste eigentlich nicht abgemeldet?!
    Auf allen Vieren krieche ich zum Apparat. Muss ich eigentlich erst die ganze Welt in die Luft jagen, damit man sich an mich erinnert?
    »Schönen Nachmittag, Frau Hannelore«, tönt eine weibliche Stimme aus dein Hörer.
    »Na, endlich! Frau Hannelore, ist Ihr Gatte, der Herr Kohl, in der Nähe?«
    »Ich bin nicht Frau Hannelore, Sie sind Frau Hannelore! Ich rufe vom NDR 2 an und soll zu Ihrem 92. Geburtstag recht herzlich gratulieren.«
    »Erstens heiße ich Osman Engin, zweitens bin ich nicht 92, auch wenn ich schon so aussehe, und drittens gehen Sie bitte sofort aus der Leitung, ich erwarte einen Anruf vom Bundeskanzler.
    »Das tut mir leid, aber seitdem wir auf digitale Technik umgestellt haben, ist das Chaos hier im Sender perfekt«, schimpft die Frau am Telefon. »Früher mit den kleinen Zettelchen war alles viel einfacher. Sie sind also nicht Frau Hannelore?«
    »Nein, nicht mal mit 92 Jahren bekommt eine Frau so eine tolle, männliche Stimme wie ich.«
    »Ähm.., dann sind Sie vermutlich auch nicht der neunjährige Stefan?«
    »Nein, der bin ich auch nicht. Eine Chance gebe ich Ihnen noch. Dreimal dürfen Sie raten.«
    »Halt, halt, jetzt weiß ich wieder, warum ich Sie anrufen sollte: Sie sind einer von diesen Schwimmbad-Gegnern. Sagen Sie uns bitte, welcher Organisation Sie angehören?«
    »Keiner, denn von Organisationen habe ich die Nase voll!
    Niemand von denen konnte oder wollte mir helfen. Deshalb habe ich mein Schicksal selbst in die Hand genommen und dieses Gebäude mit Unmengen von Dynamit besetzt.«
    »Warum sind Sie denn gegen das Spaßbad? Sind auch Sie der Meinung, dass das alte Kernkraftwerk als abschreckendes Beispiel stehen bleiben sollte?«
    »Wieso altes Kernkraftwerk? Was meinen Sie eigentlich mit Spaßbad?«
    »Warten Sie mal kurz, nach dem nächsten Musikstück von Phil Collins reden wir weiter darüber. Das macht ja richtig Spaß mit Ihnen. Ist ja aber auch logisch, schließlich sind Sie ja im Spaßbad ...«
    Mit dem Telefonhörer am Ohr knabbere ich an ihren Worten und an meinem Döner. Was meint die Frau wohl mit Spaßbad?
    Die Radiotante verwechselt mich garantiert immer noch mit irgend jemandem. Wenn die wüsste, dass sie nicht mit einem kleinen Gauner redet, der eine lächerliche Badewanne besetzt hat, sondern mit einem tollen Hecht, der ein gigantisches Atomkraftwerk in seiner Gewalt hat, dann würde sie wohl auf der Stelle ihr Mikrofon verschlucken.
    Ob ich es ihr sagen soll? Die ganzen Omas, die diese Sendung hören, würden wohl alle einen Herzinfarkt kriegen. Das lasse ich lieber sein. Sie hat doch noch das ganze Leben vor sich.
    »... Da sind wir wieder mit unserem tollen Hecht ...« Die Radiofrau weiß doch, wer ich bin!
    »... der ein Spaßbad besetzt hat!«
    Sie weiß es nicht!
    »Jetzt sagen Sie mal, Sie Nervensäge, warum nennen Sie das Atomkraftwerk die ganze Zeit »Spaßbad«? Wollen Sie mich provozieren? Ist das eine neue Taktik der Polizei? Sie wissen doch genau, dass ich ein riesengroßes Atomkraftwerk besetzt habe.«
    »Genau, ein Atomkraftwerk, das vor sieben Jahren abgeschaltet und komplett demontiert wurde. Und das Gebäude soll jetzt zu einem Spaßbad umgebaut werden.«
    Leicht verunsichert krieche ich, den Hörer zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt, zum Fenster, um das Treiben draußen zu beobachten.
    Bei Allah, ich glaube die blöde Radiotante könnte doch Recht haben. Auf dem Gelände sehe ich nämlich nur einen Feuerwehrwagen, ein paar Feuerwehrmänner und diesen Polizisten auf seinem Fahrrad. Bei jedem lächerlichen Banküberfall ist mehr Action.
    In mir keimt der Verdacht, dass ich wirklich nur eine harmlose
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher