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Kaltstart

Titel: Kaltstart
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Todesfetisch, auf die Schusswaffen und Computer in den Traumlandschaften der Menschen heute zustreben. Die erste Kompatibilität war die zwischen Schusswaffe und Munition.

Süß!

    Nachdem aus der Welt des Computers jeder kleinste Rest des Spielerischen vertrieben wurde, bis dahin, dass die Computerspiele mit ihren endlosen Varianten auf Kampf und Konkurrenz ein reines Spiegelbild der Terrorwelt sind, die wir um uns herum erdulden, müssen Surrogate her, Fetische, quasireligiöse Erinnerungen daran, dass die Welt nicht nur eine Hundekampfarena ist. Der Linux-Tux ist ein sehr gutes Beispiel für solche minderen Ikonen der Erlösung zum Spiel, zum Kindlichen, zum Gelächter. Auf den 21-Zoll-Monitoren der Entwickler sitzt das Knuddelvieh als Erinnerung daran, dass auch sie einmal etwas anderes konnten als konkurrieren (und sei es nur mit Microsoft). Bei den weniger Gewieften reicht es nur zu Bildschirmschonern mit den letzten Korallenfischen vor der Ausrottung, Sonnenuntergängen über einsamen Inseln, auf denen es noch kein Internet gibt, und lustigen kleinen Programmassistenten in Büroklammerform, die einem beschwingt erklären, mit welchen Tricks man den Feind aus dem nächsten Hasenstall im Großraumbüro plattmacht.
    Aber Achtung! Eile ist geboten! Denn der Feind hat denselben Programmassistenten, und er könnte schneller sein. Die Kampfhunde in der Arena werden überwacht von quietschbunten, gutgelaunten Schiedsrichtern in Plüsch, die echte Hölle des realen Lebens steht unter der Jurisdiktion von Maskottchen aus den Zeichenfedern von Comickünstlern. Allzuviel Gleichförmigkeit und Normierung schadet nur der Produktivität, daher wird das Milchvieh in Agrarfabriken mit Mozart stimuliert, und die Fließbandkreativen in den PR-Abteilungen, die Salesrats und die Produktmanager dürfen sich über Dilbert-Comics amüsieren. Die Galeerensklaven erzählen einander den neuesten Trommlerwitz, anders ist das Gerudere schon nicht mehr zu ertragen. Wer nicht mitmacht, gilt als Spielverderber, als Miesmacher, schon nicht mitzulachen ist verboten. Der letzte Rest von Freiheit kommt als Schlüsselanhänger in Pinguinform oder als Website mit tanzenden Hamstern auf Leute zurück, die nicht einmal mehr im Traum wissen, wie sie sich diesem Leben noch entziehen sollen.
    Bald wird das Internet in eine Art kostenpflichtiges Fernsehen mit Millionen Programmen verwandelt sein, verbraucht auf alle Ewigkeit für die Chancen, die einmal in ihm gesteckt haben mögen, und was wird mit uns, wenn es dann kein neues Spielzeug gibt? Es wird eines geben, keine Sorge. Es wird bunt sein. Man könnte meinen, nach dem Moorhuhn gebe es keine Möglichkeit mehr zur engeren Fusionierung von kindlichem Knuddelbedürfnis und sadistischem Konkurrenzterror. Mehr Irrsinn als im Zwang zum Wegballern des netten und doofen Hühnchens, das man sich gerade zur Traumstunde auf den Schirm geholt hat, scheint kaum denkbar, aber keine Bange, keine Bange, es wird schon irgendwie weitergehen. Das ist ja das Furchtbare.

Mehr Parmesan

    Unter den Computerverkäufern gibt es die Gleichgültigen, die Inkompetenten, die Arroganten, die Versierten. (Frauen sind auf diesem Gebiet so gut wie inexistent, das rechtfertigt die Benutzung der rein männlichen Form durchaus). Die Grundmodelle des durchschnittlichen deutschen Computerverkäufers entstammen zwei Geschäftskulturen. Die eine ist die der Computerhandelskette, die in jeder strategisch wichtigen Stadt Deutschlands eine Niederlassung hat, und einen entsprechenden Bedarf an Arbeitskräften. Die Ausbildung sieht dort so aus, dass Jugendliche nach Crashkursen von maximal drei Wochen Dauer auf die Menschheit losgelassen werden. Wenn Sie eine Stellen-Anzeige dieser Computerschieber in der Zeitung sehen, und von “Aus-” und “Fortbildung” und von “Betriebsklima” lesen: Das ist damit gemeint. Und das Ergebnis ist dann auch demnach. Die Gleichgültigen und die Inkompetenten rekrutieren sich zu einem überwiegenden Anteil aus diesem Segment der Computerverkäuferschaft. Wer nicht genau weiß, was er will, ist diesen Leuten rettungslos ausgeliefert, und wird total links liegengelassen oder mit Schwachsinn vollgelabert. Man betritt diese Läden schon mit einem schlechten Gefühl, weil ihre total schundige Aufmachung an die Dekorationskünste von HO-Läden erinnert, es riecht dort wie in der petrochemischen Industrie, und hinter dem Tresen hängen drei Lackel um die Zwanzig, blättern in irgendwelchen Heften oder
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