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Kaltstart

Titel: Kaltstart
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Arbeitskraft aufzusaugen, Ressourcen, die sonst womöglich zu noch destruktiveren Schweinereien verwandt worden wären.
    Wenn es ganz dick kam, wurden diese klaustrophoben Kapellen des Kleinbürgertums Anfang der Achtziger noch zu Atombunkern umgebaut, das war dann die äußerste Grenze zum wirklichen Wahnsinn. In diesen Partykellern gab es nie Parties, denn sie stanken, wie Keller eben stinken, und für eine Geburtstagsfeier in einem Bunker waren selbst ihre Erbauer nicht verrückt genug. Wir hatten keinen Partykeller, daher blieben wir zwangsweise in der primär symbiotischen Phase stecken, und füllten unsere Küchenschränke mit Elektroschrott ab Werk, ein Jahr Garantie pro Teil inbegriffen.
    Dann kam das einzig wahre Gerät, das vollkommene, unüberbietbare, totale Gerät: der PC. Der PC hatte alle Spezifikationen, die Walser für sein Gerät Anfang der Sechziger gefordert hatte: Er war ausbaufähig ohne Ende, verschlang enorme Quantitäten an Geld und Aufmerksamkeit, war total sozialkompatibel und blieb von Generation zu Generation, von Ausbaustufe zu Ausbaustufe per definitionem modern. Und er war vor allem für die meisten, die sich einen zulegten, vollkommen nutzlos. Er war die Küchenmaschine in der dritten Potenz, der zum Elektroschrott mit zwei Jahren Garantie reimplodierte Partykeller, das Gerät schlechthin. Und als das Publikum dies begriffen hatte, konnte der PC seinen immer noch anhaltenden Siegeszug durch die Haushalte antreten, bis er überall war. Papi machte vielleicht seine Steuererklärung daran, wirklich genutzt wurde er von den Kindern zum Spielen, was er mit dem Partykeller gemein hatte, in dem jetzt die Tischtennisplatte wohnte, und wenn er ansonsten den Status einer besseren Schreibmaschine überhaupt erreichte, dann war es etwas Besonderes.
    Man konnte soviel damit machen. Niemand machte etwas damit. Das Glück wurde mit der Ankunft des Internets Mitte der Neunziger perfekt, als der virtuelle Partykeller mit atomkriegssicherer Datenpaketvermittlung aufmachte, wo die intelligenten Küchengeräte sich endlich in Echtzeit miteinander unterhalten konnten, um sich gegenseitig ihre holzverkleideten Kellerwände und schmiedeeisernen Pfeffer- und Salzbestecke vorzuführen, und zwar weltweit. Die letzte Ausbaustufe ist noch nicht realisiert, wird uns aber schon fröhlich angedroht: Die Verschmelzung von Benutzer und Gerät. Es ist die Vision vom menschlichen Gehirn als einem Partykeller, in dem ein Zoo von weltweit breitbandig vernetzten bioelektronischen Geräten Einladungen für den nächsten Grillabend austauschen. Es gibt Hirn.

Tron

    Wann war das eigentlich genau, als die totale Durchsetzung des Hollywoodfilms mit Computern auch dem letzten Hinterwäldler anzeigte, dass er in Zukunft um diese Geräte in der einen oder anderen Form nicht würde herumkommen können? Ab wann genau tauchte eigentlich in jedem Film mindestens ein PC auf, entweder als Held oder als Statist? Man denkt an “War Games” oder “Tron”, aber das war weit vor der Zeit, selbst für die Amerikaner. “War Games” (1983) handelte von geheimen Computern des amerikanischen Militärs, und sprach selbst bei den Amerikanern damals nur die Hackerszene an, wie man heute aus den Kommentaren der Veteranen von damals entnehmen kann, und “Tron” (1982) wurde mit Computern hergestellt, war aber eine seltsame Kreuzung aus weit vorausschauender Cyberspace-Opera und völlig antiquiertem SciFi-Gedöhns aus den Vierzigern, so dass es wiederum nur die Computer-Geeks, und selbst unter ihnen nur eine bestimmte Fraktion ansprach. In Deutschland hatte man gerade eben davon gehört, dass Computer zur Erzeugung von Filmen benutzt werden konnten wie beim “Millenium Falcon” aus “Star Wars”, aber die Leute, die wirklich wussten, wie das vonstatten gehen mochte, waren dünn gesäht, zu dünn für eine Durchdringung des Massenbewußtseins. “Blade Runner” (1982) handelte von Androiden, und es ist trotz des berühmten Auftauchens der Atari-Logos in dem Film erstaunlich, wie wenig er sich um die technische Seite der ganzen Story kümmert, möglicherweise ein Reflex auf die Tatsache, wie wenig Philip K. Dick selbst daran interessiert war. Auch der erste “Terminator” (1984) behauptet Technik, statt sie vorzuführen, aber die Szene änderte sich radikal mit Terminator 2 (1991). Ich sah diesen Film 1994. Natürlich war ich immer noch völlig verblüfft von dem sich selbst aus dem Boden schälenden Roboter aus geschmolzenem Metall. Die
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