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KALTHERZ

KALTHERZ

Titel: KALTHERZ
Autoren: Irmgard Schürgers
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D a nach hatte sie mit Jochen einmal getanzt in ihrer Anfang s zeit, vier Jahre war das jetzt her. Die Spitzen der Hoc h häuser steckten in Wolken, aus denen weiter Schnee fiel. Auf der Straße blieb jedoch nichts liegen, der Schnee war zu fein, und die Autos, die unaufhörlich über die Brücke fuhren, taten ein Übriges, die zarten Schneekristalle gleich wi e der in schmutzige Nässe zu verwandeln. Sie bog rechts auf die Uferstraße ab und musste ein paar U m leitungen folgen, weil samstags der wöchentliche Flohmarkt am Museum s ufer stattfand. Der Weg zum Jakob-Rohmann-Haus war ihr schon geläufig, sie fand einen Parkplatz und ging schnell die paar Schritte durch den nasskalten Morgen. Sie hatte sich Jeans und eine alte Steppjacke rausgesucht und einen warmen Pullover von Jochen gegriffen, den sie auch zu Hause gerne trug.
    Es war schlie ß lich Samstag und auch sie hatte ein Recht, es sich wenigstens mit der Kleidung bequem zu m a chen.
     
    Als sie den Flur des Wohnheims betrat, klang ihr Kl a viermusik en t gegen. Katja verstand nicht viel von Musik. Diese klang sehr gefühlvoll, und obwohl sie keine bekannte Melodie heraushören konnte, berührten sie die Töne. Die kleine Bärbel stürzte sich auf sie. „Hallo, wie heißt du noch mal? Warum ist der Lothar tot? Ich hab g e weint, weißt du.“
    „Ich bin Katja“, antwortete sie ihr. „Sag mal, wer spielt denn da Klavier?“
    „Das ist der Klaus, der ist blind, der ist arm dran, dem seine Mutter ist auch schon tot.“
    Sie zog Katja in den Aufenthaltsraum, in dem der blinde Klaus am Klavier saß, und wie Kinder mit Hospitalismus  mehr oder weniger rhythmisch vor- und zurüc k schaukelte. Dabei entlockte er dem Klavier erneut erstaunlich gefüh l volle Töne. Sie fragte sich, welche Karriere ihm als Pianist beschieden gewesen wäre ohne seine B e hinderung; Talent besaß er ganz offe n sichtlich, das konnte sogar sie mit ihrem ungeschulten Ohr hören.
    „Gehst du mit mir ins Kino?“, meldete sich Bärbel an ihrer Se i te. „Ich gehe gern ins Kino, mit dem Lothar war ich auch im Kino.“
    Bevor sie fragen konnte, was für Filme sie sich a n gesehen hätten, kam ihr Bärbel wieder zuvor.
    „Weißt du, was wir geguckt haben?“, fragte sie lauernd, „Se x filme“, gab sie dann triumphierend von sich. „Das darf ich aber nicht“, schob sie hinterher. Ihr kleines G e sicht spiegelte Spaß an den Filmen wider, Triumph darüber, dass sie das offenbar au s gesprochene Verbot umgangen hatte. Gleichzeitig zeigte ihre Miene ihr schlechtes G e wissen. Sie hatte die Stirn hochgezogen und eine Falte über die gesa m te Stirn wurde sichtbar in dem sonst erstaunlich glatten G e sicht. Katja wollte gerade weiterfragen, als sich Gertrud Wagner einmischte, die unbemerkt herei n gekommen war.
    „Sie haben keine Sexfilme gesehen, sie haben Liebe s filme g e sehen, aber die graduellen Unterschiede sind ihnen natürlich nicht so g e läufig.“
    „Türlich war’n das Sexfilme“, entgegnete ihr Bärbel en t rüstet. „Die ha’m doch des da gemacht“, sie b e wegte ihren Unterkörper rhythmisch und versuchte, ein Stöhnen nac h zuahmen. Katja musste sich ein Grinsen verkneifen. Sie re t tete sich in eine Frage an Ge r trud Wagner.
    „Was für Filme haben die beiden denn nun wirklich g e sehen?“
    „Wir haben die Liebesfilme zusammen ausgesucht“, sie betonte das Wort ‚Liebe s filme’. „Lothar ist dann mit Bärbel in die Stadt gefahren und mit ihr ins Kino g e gangen.“
    „Ja, aber dann sind mir in die Sexfilme gegangen“, drängte sich Bärbel erneut d a zwischen.
    „Die beiden sind also alleine in die Stadt gefahren?“, hakte Katja noch mal nach. „Wie können Sie da sicher sein, dass sie wirklich nur Li e besfilme gesehen haben?“
    Gertrud Wagner wurde zusehends nervöser.
    „Wie hieß das Kino denn, in das ihr gegangen seid?“, fragte sie Bä r bel.
    „Des weiß ich net.“ Sie zuckte mit den Achseln.
    Gertrud Wagner bekam Oberwasser. „Da sehen Sie, wie viel Sie von den Antworten der Behinderten halten kö n nen.“
    „Der Lothar hat das Fenster offengelassen, damit er rein konnte nachts.“ Bärbel machte ein listiges Gesicht.
    Katja sah Gertrud Wagner fragend an.
    „Ja, das stimmt“, antwortete diese zögernd, „er hat sich damit wohl ein Stück U n abhängigkeit erhalten wollen, so konnte er halt auch mal später kommen.“
    „Wieso haben Sie das gestern Abend nicht erwähnt?“, fragte Katja scharf. „Sie haben ihre
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