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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz
Autoren: Charlotte Freise
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unter Druck gesetzt hatte, wie er ihn und Hetti unter Beobachtung gestellt hatte. Warum er Hetti nicht aufgeben konnte und wie es ihm gelungen war, sie zu finden. Er erzählte auch, dass es Hetti ebenso zu ihm hingezogen hatte, dass sie fortgelaufen war, sich in Gefahr begeben hatte, nur um bei ihm zu sein, und wie er im letzten Moment verhindert hatte, dass Heinz Graf sie tötete.
    Hinter dem Vorhang blieb es still, Hetti schlief, und plötzlich hatte Charlie wieder Angst um sie. Wie schwach war sie? Würde sie durchkommen? Was, wenn nicht?
     
    Hetti schlief lange, und Charlie saß neben ihr, unterbrochen nur von kurzen Pausen, in denen er sich die Beine vertrat oder Frau Pflog und den Mädchen half. An ernsthafte Aufräumarbeiten schien heute jedoch niemand denken zu wollen, und Charlie war froh darum, denn er war ebenfalls erschöpft.
    Nach und nach trudelten auch der Pfarrer und seine Axtmänner wieder ein. Die Enttäuschung, dass es kein Teufelswerk mehr zu vernichten, dafür aber einen vermutlich verschütteten Mann aus den Trümmern zu bergen gab, war ihnen deutlich anzumerken.
    Charlie hatte sich zunehmend Sorgen um Willem und Professor Altheim gemacht, doch gegen Abend trafen auch sie endlich ein. Professor Altheim wirkte mitgenommen, und er war sehr erleichtert, Hetti wohlauf zu sehen. Johanne Pflogs Einladung, bis zum nächsten Morgen zu bleiben und dann gemeinsam mit Ada Keller, Henriette und Charlie nach Berlin zurückzukehren, nahm er nur zu gerne an.
    Nur Regenmacher wollte nicht zurückfahren, sondern hierbleiben und, sobald er sich etwas erholt hatte, Johanne und ihren Töchtern helfen. Es gab viele Entscheidungen zu treffen, geschäftliche wie auch private, und es gab noch viel mehr Arbeit zu erledigen.
    Charlie schlief in dieser Nacht auf einer der Matratzen, die sie aus dem Haupthaus herübergeholt hatten. Niemand wagte es, über Nacht dort zu bleiben, solange sie nicht wussten, welche Teile des Hauses sicher und welche vom Einsturz bedroht waren.
    Er baute sich sein Lager neben Hettis Krankenlager, und als alle anderen längst in den verschiedenen Räumen und Winkeln der Plättstuben schliefen, hielt er noch immer ihre Hand und betrachtete im Schein einer heruntergedrehten Lampe ihr blasses, aber friedliches Gesicht, bewunderte den leichten Schwung ihrer Nase, die hohen Wangenknochen, die in den letzten Wochen deutlicher hervorgetreten waren, die ausdrucksstarken Brauen. Ihre Züge waren nicht nur schmaler, sie waren auch erwachsener geworden.
    Als er eine Hand auf ihre Wange legte, schlug sie die Augen auf. Ihr Blick war vollkommen wach, so als hätte sie überhaupt nicht geschlafen. Sie lächelte, legte den Finger an die Lippen, nahm die Lampe und stand auf.
    Komm mit, bedeutete sie ihm mit einem funkelnden Blick und einem kurzen Nicken, die schwarzen Locken umspielten ihre Schultern, die in einem schneeweißen Nachthemd steckten. Mit bloßen Füßen tappte sie zur Treppe. Ihr Violinkoffer stand dort, Charlie hatte ihn vollkommen vergessen, doch offenbar hatte sie genau aufgepasst, wo er abgestellt worden war. Sie hob den Koffer auf, nahm Charlie bei der Hand und schlich mit ihm die Treppe ins Waschhaus hinab.
    Unter der Treppe gab es eine schmale Brettertür. Hetti schob den Riegel zur Seite, und sie traten ein.
     
    Die Kammer war nicht groß, und sie war vom Boden bis unter die Decke vollgestopft mit allen möglichen und unmöglichen Dingen. Hetti legte den Violinkoffer auf dem einzigen Stuhl im Raum ab und begann im Schein der Lampe die Regale abzusuchen.
    Einen Moment später zog sie einen Federkasten aus einem Fach und schüttelte ein Tintenfass. Sie nickte, offenbar war noch Tinte darin enthalten. Dann griff sie willkürlich ein Buch von einem anderen Regalbrett, setzte sich im Schneidersitz auf den staubigen Boden, stellte die Lampe neben sich, schraubte das Tintenfass auf, öffnete das Buch und begann, den Text darin zu überschreiben.
    In dem Geigenkoffer sind drei Dinge. Das erste ist ein Geschenk für Dich, das ich mit meinem Leben verteidigt habe. Das zweite ist eine Erinnerung für mich, niemals mein Herz zu verraten. Und das dritte ist ein Vermächtnis meiner Lehrerin an uns beide.
    Ich werde Dir erzählen, wie ich zu diesen Dingen gekommen bin, bevor ich sie Dir zeige. Einverstanden?
    Henriette lächelte, und Charlies Neugier auf das, was in dem Koffer sein mochte, stieg ins beinahe Unerträgliche.
    «Einverstanden.»
    Er setzte sich neben Hetti auf den Boden, den Duft ihres
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