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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz
Autoren: Charlotte Freise
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er.
    Das Tier öffnete die Augen, hob den Kopf.
    «Du musst auf Hetti aufpassen», sagte er. «Und auf den da», fügte er hinzu und deutete auf den Fahrer.
    Hund schnaubte, er hatte verstanden. Er legte den Kopf wieder auf Hettis Beine, hielt die Augen aber geöffnet und wachsam auf den Fahrer gerichtet. Der saß mit hängendem Kopf an seinem Platz, bewegte sich nicht und hatte bisher auch noch kein Wort gesagt.
    «Ich bin gleich zurück.»
    Hund winselte, als Charlie sich auf den Weg machte, und nach wenigen Schritten hielt er inne und kam zurück. Er hatte kein gutes Gefühl dabei, Hetti nur von Hund beschützt zurückzulassen, und noch viel weniger wollte er Hetti und ihren Peiniger hier allein miteinander wissen.
    «In Ordnung, du hast recht», sagte er zu Hund. «Gut aufpassen!»
    Dann hob er Hetti hoch, um sie zu dem Gebäude zu tragen, dass zwischen den Bäumen hindurchschimmerte. Sie schien fast nichts zu wiegen, so leicht war sie geworden, und sie hatte kaum Kraft, ihre Arme um seinen Hals zu legen, aber jetzt lächelte sie und blickte ihn an, als ob sie immer noch nicht glauben könnte, dass er wirklich hier war.
    «Hast du auch an den Koffer gedacht?»
    «Den holen wir später, Hetti. Jetzt kümmern wir uns erst einmal um dich.»
     
    Das Backsteingebäude gehörte zu einem kleinen Gehöft. Hier hatten sie zu Beginn der Suche niemanden gelassen, und Charlie begriff, dass der Fahrer sicherlich mit Absicht nur Gehöfte angesteuert hatte, die von dort, wo er selbst mit seiner Suche beginnen wollte, weit genug entfernt lagen. Er muss gewusst haben, wo ungefähr Hetti sich befand. Dennoch wusste der Mann, der ihnen die Tür öffnete, Bescheid.
    «Haben Sie sie gefunden?», fragte er. «Ist sie das?»
    Die Nachricht von Hettis Verschwinden schien sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten, vielleicht hatte inzwischen doch noch jemand die Polizei in Gramstett verständigt, und sie waren bereits unterwegs, um überall die Bevölkerung zu alarmieren.
    «Ja. Bitte helfen Sie mir.»
    Der Mann, er mochte gute siebzig Jahre alt sein, zahn- und haarlos, bat sie in die Küche, und Charlie setzte Hetti auf der Ofenbank ab. Überall standen Körbe mit Wolle herum, teils gekämmt, teils schon gesponnen, die Schafe auf der Weide, über die er gekommen war, schienen zum Hof zu gehören.
    Der Alte öffnete die hintere Küchentür und rief in den Garten hinaus, der dahinterlag.
    «Hilde, komm her!»
    Kurz darauf kam eine stämmige Frau herein, ließ die vor Erdklumpen starrenden Holzschuhe an der Schwelle stehen und wischte sich die Hände an der Schürze ab.
    «Wir haben Besuch», sagte der Alte. «Ich fahre los und sage Bescheid, dass wir sie haben.»
    «Warten Sie», sagte Charlie. «Da vorne zwischen den Bäumen ist ein Mann. Er hat versucht, das Mädchen zu töten.»
    Die Frau schlug die Hände vors Gesicht, und der Alte fragte: «Er läuft dort frei herum?»
    «Nein, ich habe ihn angebunden, und ein Hund passt auf ihn auf. Wir sollten ihn der Polizei übergeben.»
    Zum ersten Mal ließ sich jetzt auch Hetti vernehmen.
    «Er heißt Heinz Graf.»
    «Der Bengel mit dem Automobil?», fragte die Frau.
    Hetti nickte.
    «Herr Jesus!»
    «Ich sag doch immer, der taugt nichts», fügte der Alte hinzu und winkte Charlie hinter sich her zur Tür hinaus.
    «Der Koffer», flüsterte Hetti und hielt Charlie an der Hand fest. Ihr Griff war fest, sie meinte es ernst.
    «Von was für einem Koffer redest du, Hetti?»
    «Er ist im Unterstand, bei den Schafen.» Dann wandte sie sich der Frau zu. «Entschuldigen Sie, ich habe mich dort versteckt und geschlafen, seit …» Hetti überlegte, aber sie schien nicht zu wissen, wie viel Zeit sie draußen verbracht hatte, und Charlie schnürte es die Kehle zu bei dem Gedanken, dass sie Tage und Nächte allein und voller Angst unter freiem Himmel zugebracht hatte.
    «Es … der Koffer. Er ist dort.»
    «Gut, ich hole ihn.»
    Charlie wollte gehen, doch Hetti hielt ihn noch immer fest.
    «Nicht ohne mich reinschauen, bitte», sagte sie.
    Charlie nickte. «Gut.»
    «Versprich es.»
    «Ich verspreche es.»
    Hetti lächelte, dann gab sie Charlies Hand frei und ließ sich von der Hausherrin das Gesicht säubern.
    Charlie warf einen Blick zurück, Hetti lächelte ihn an.
    «Ich passe schon auf sie auf», sagte die Frau. «Gehen Sie ruhig.»
    Charlie nickte und folgte dem Alten.
     
    Charlie fand den Koffer dort, wo Hetti es gesagt hatte, an der Rückwand des Viehunterstandes zwischen Schafskötteln und
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