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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab
Autoren: Stephen Booth
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zu spät und wir müssen uns eben damit abfinden, dass er weg ist.«
    Grace blickte zu der Madonnen-Ikone in der Nische über dem Fernseher hinauf. Heute Abend würde sie wieder für ihren Sohn beten. Und sie würde auch Peter dazu zwingen.
    »So viel Schnee macht eine Menge Probleme«, fuhr Peter fort. »Das können sich die meisten Leute überhaupt nicht vorstellen.«
    Doch das Mädchen von der Wettervorhersage lächelte sie fröhlich vom Bildschirm an, als wäre Schnee in ihren Augen das Herrlichste, was man sich auf dieser Welt überhaupt vorstellen konnte.
    Der Schneepflug der Grafschaftsverwaltung Derbyshire war brandneu. Es war ein gelber Seddon Atkinson mit einem glänzenden Schaufelblatt aus Stahl, der mit seinen automatischen Granulatbehältern überholende Autos wie mit einem Maschinengewehr beschießen konnte. An diesem Morgen waren die beiden Männer damit beschäftigt, die Hauptstrecke über den Snake Pass nach Glossop und bis zur Grenze nach Greater Manchester freizubekommen. Sie kämpften sich vom Ladybower-Reservoir aus durch immer tiefere Schneeverwehungen hinauf, unter sich den River Ashop und über sich die alte Römerstraße, die sich an den unteren Ausläufern des Bleaklow und des Irontongue Hill entlangzog.
    Trevor Bradley war an diesem Morgen Beifahrer. Er hatte für die Arbeit mit dem Schneepflug nicht besonders viel übrig, und noch weniger dafür, deswegen mitten in der Nacht aufstehen zu müssen. Schlimmer noch, man hatte sie zum Snake Pass geschickt, der so ziemlich der trostloseste Ort war, an dem man sich aufhalten konnte, wenn alle anderen Leute gemütlich in ihren Betten lagen. Sie hatten die letzten Häuser schon weit hinter sich gelassen, und auf den langen, unbeleuchteten Straßenabschnitten gab es nichts zu sehen außer dem Licht ihrer eigenen Scheinwerfer und den uferlosen Schneemassen vor sowie links und rechts von ihnen. Bradley war froh, als der Fahrer kurz am abgelegenen Snake Inn anhielt, wo die Inhaber ihre Thermoskannen mit Kaffee aufgefüllt und ihnen heiße Schweinefleischpastete aus der Mikrowelle gegeben hatten. Die Männer vom Schneepflug waren im Snake Inn gern gesehen, denn an Tagen wie diesem lag es ganz in ihren Händen, ob Besucher bis zu dem Gasthaus durchkamen oder ob es gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten blieb.
    Kurz nachdem sie sich wieder auf den Weg gemacht hatten, erreichte der Schneepflug die Strecke zwischen Lady Clugh und den Snake Plantations. Hier wurde es steiler, und die Scheinwerfer fielen auf noch höhere Verwehungen, da der Wind den Schnee vom Hochmoor heruntergeweht, um den Waldsaum herumgetrieben und nach und nach zu bizarren, irrealen Skulpturen geformt hatte.
    Kurz hinter dem Parkplatz, bevor sie aus dem Wald herauskamen, glaubte Bradley zu spüren, wie etwas Hartes gegen die Maschine prallte und ein paar Meter von dem Schaufelblatt mitgeschleift wurde. Im nächsten Augenblick sah er einen dunklen Umriss, der von der Schaufel angehoben und in die Böschung befördert wurde. Es war, als hätte er das Gesicht eines Mannes gesehen, das dicht vor seinem Fenster durch die Luft schwebte und wieder verschwand. Es war ein sehr bleiches Gesicht gewesen, wie von einem Gespenst, und es konnte sich eigentlich nur um eine optische Täuschung aus dem weißen Schnee und der schlechten Beleuchtung gehandelt haben.
    »Wir haben was gerammt, Jack«, sagte er und leckte sich den letzten Rest der warmen Pastetensoße von den Fingern.
    »Echt?«
    Jack schaltete den Motor ab, und die Männer stiegen aus.
    Der Fahrer schien sich mehr darum zu sorgen, dass seine Maschine etwas abbekommen hatte. Er hatte Trevor bereits erzählt, dass die Leute haufenweise Bauschutt am Straßenrand abstellten, und Ytong-Steine oder kaputte Ziegel konnten das Schaufelblatt leicht beschädigen. Der Pflug war die neueste Anschaffung der Straßenbehörde, und der Fahrer war sich seiner Verantwortung für den Zustand des Fahrzeugs durchaus bewusst.
    Inzwischen stocherte Bradley in der Böschung herum, scharrte den Schnee mit den Handschuhen beiseite und zog schließlich eine blaue Reisetasche aus der Schneewehe. Die Tasche war leer, wie ihm ihr Gewicht sofort verriet.
    »Echt unverschämt«, sagte er.
    Er schob noch mehr Schnee beiseite. Es sah aus, als sei der Inhalt der Tasche herausgefallen, denn dort lag ein Schuh im Schnee. Die Kappe war aus schwarzem Leder, und auf der Oberseite war ein Muster aufgedruckt. Niemand ging in solchen Schuhen wandern, also musste er aus der Tasche
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