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Kaltes Gift

Kaltes Gift

Titel: Kaltes Gift
Autoren: Nigel McCrery
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nach Ihnen.«
    Daisy beobachtete sie eine Weile, aber Eunice lehnte nur ihren
Kopf gegen das Bettgestell und schloss die Augen. Daisy wollte sie
nicht drängen, den Kaffee zu trinken; so wie sie Eunice mittlerweile
kannte, wusste sie, dass diese Frau nur immer halsstarriger wurde, wenn
sie sich herumkommandiert fühlte. Sie musste den Kaffee selbst trinken
wollen.
    Daisy ließ sie allein und schlenderte zu dem hinteren
Schlafzimmer, wo Eunice ihre Kleider an einer langen metallenen
Kleiderstange aufbewahrte, die sie früher einmal mit einem
zigeunerhaften Muster aus roten und gelben Blumen auf glänzend
schwarzem Grund bemalt hatte.
    An einer Wand lehnte ein hoher Spiegel. Daisy strich mit den
Händen an den Kleidern entlang: Rüschenblusen, lange Röcke, Kaftane und
alles Mögliche, was Daisy als ›Künstlerklamotten‹ bezeichnete. Doch sie
würde sich daran gewöhnen müssen. Wenn sie Eunice Coleman wurde, dann
musste sie solche Sachen tragen. Nicht weil jemand sie für Eunice
halten sollte, sondern weil sie Eunice werden wollte,
und Eunice trug nun mal andere Kleider als Daisy, genauso, wie sie sich
auch anders bewegte und anders redete. So einfach war das.
    Nach einer halben Stunde ging Daisy und schaute nach Eunice.
Sie schlief wieder, atmete schwer durch den Mund. Der Kaffeebecher war
leer.
    Einem spontanen Einfall folgend, ging Daisy in das hintere
Schlafzimmer zurück. Sie suchte sich ein paar Kleidungsstücke aus dem
Regal aus, von denen sie meinte, sie könnten ihr passen, hielt sie sich
an und betrachtete sich im Spiegel.
    Sie blickte zur Tür. Es war riskant, doch sie wollte wissen,
wie sie darin aussah. Sie wollte üben, Eunice zu sein.
    Rasch zog sie sich aus und stieg in die neuen Sachen. Sie
waren ein bisschen zu weit, aber sie konnte sie ja enger machen. Und
außerdem trugen Künstlernaturen ja lockere Kleidung, nicht wahr?
    Daisy fühlte sich in Eunices Kleidern ein wenig kribbelig,
solange die andere Frau noch im Hause war. Leise schlich sie den Flur
entlang und äugte durch die angelehnte Schlafzimmertür, um die
Fortschritte des Giftes zu überprüfen.
    Das Bett war leer.
    Daisy hastete ins Zimmer, sah auf der anderen Seite des Bettes
nach, denn womöglich war Eunice herausgefallen und lag nun verborgen
dahinter. Aber da war niemand. Eunice war verschwunden.
    Unten schrillte die Türklingel.

18
    M ark Lapslie stand in Superintendent Rouses
Büro und starrte in die sanften braunen Augen von Martin Geherty. Der
Ausdruck auf Gehertys Gesicht war gelassen, fast analysierend, während
er seinerseits Lapslie betrachtete.
    Lapslie fragte sich, wo DCS Rouse geblieben war. Geherty
vereinnahmte hier Rouses Büro, als ob es ihm gehörte. Und in Anbetracht
seiner ranghöheren Position im Justizministerium war es ja vielleicht
auch so. Doch was immer der Grund war – Rouse war nicht zur
Stelle, um seinem Untergebenen beizustehen. Offenbar hatte er einen
Entschluss gefasst, wie man am besten die schlüpfrige
Beförderungsleiter erklimmt. Und nicht zum ersten Mal in seiner
Karriere war Lapslie auf sich allein gestellt.
    »Wir lassen Ihnen keine Wahl, DCI Lapslie«, sagte Geherty mit
verblüffender Freundlichkeit. »Sie können die Ermittlungen jetzt aus
eigenem Entschluss einstellen, oder sie können von jemand anderem
eingestellt werden, aber in jedem Fall übernehmen wir jetzt, und wir
werden Madeline Poel selbst zur Strecke bringen.«
    »Und wie kommen Sie auf den Gedanken, Sie könnten meine
Ermittlungen einstellen lassen?«, fragte Lapslie, obwohl er die Antwort
bereits wusste.
    »Sie stehen bereits in dem Ruf, psychisch labil zu sein, durch
Ihren neurologischen Befund. Wir können Sie aus medizinischen Gründen
suspendieren lassen. Alle Ermittlungsergebnisse, die Sie erzielt haben,
werden einfach … verlorengehen. Irgendwo falsch abgelegt. So
was passiert andauernd.«
    Lapslie trat ans Fenster und starrte hinaus. Tief unten
wartete noch immer der schwarze Lexus ungeduldig im Leerlauf. »Sie
haben es von Anfang an so eingefädelt, dass ich auf diesen Fall
angesetzt werde, stimmt's?«
    Er sah Geherty nicken, gespiegelt in der Fensterscheibe von
Rouses Büro. »Stimmt. Unser Psychologe hat eine Liste von
Schlüsselelementen für jede Art von Verbrechen erstellt, das Madeline
Poel möglicherweise verüben könnte. Ausgehend von ihrer Vorgeschichte
und ihrem Geisteszustand, vermutete er, dass sie wahrscheinlich alte
Frauen ermorden würde, die sie an ihre Großmutter erinnerten,
vermutlich mit Gift –
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