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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut
Autoren: Andreas Franz
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oder hast plötzlich vor der Tür gestanden und meine Eltern …«
    »Deine Eltern haben noch vor kurzem gesagt, dass sie es toll finden,was wir für ein super Verhältnis haben. Dein Vater hat sogar gemeint, er könnte sich vorstellen, dass ich eines Tages …« Er biss sich im letzten Moment auf die Zunge, um nichts Unbedachtes von sich zu geben.
    Selina sah ihn mit gekräuselter Stirn an, als wüsste sie genau, was er weiter sagen wollte, und erwiderte nur: »Mein Vater ist aber nicht ich, und damit basta. Ich hasse diese Vergleiche. Und somit sind die fünf Minuten vorbei. Es ist aus, bitte akzeptiere das. Und es war nie wirklich ernst zwischen uns, dazu sind wir einfach zu jung. Und wir sind viel zu verschieden. Ich möchte noch keine feste Beziehung eingehen. Und das meine ich ernst.«
    »Aber …«
    »Nein, kein Aber mehr. Lass mich bitte in Ruhe, das ist alles, was ich von dir verlange. Und wenn du mich wirklich liebst, dann geh einfach. Und mach dir bitte keine falschen Hoffnungen mehr.«
    »Können wir nicht wenigstens Freunde bleiben?«
    »Was für einen Sinn hätte das? Nein, es würde am Ende doch nur wieder darauf hinauslaufen, dass du mir sagst, wie sehr du mich liebst.«
    »Eine Frage noch, bevor ich fahre. Hast du schon einen andern?«
    »Und wenn?«
    »Selina, bitte! Beantworte mir nur diese eine Frage, damit ich endlich weiß, woran ich bin. Ich werde sonst noch wahnsinnig. Wenn du mir sagst, es gibt einen andern, werde ich das Feld räumen und dich nie mehr belästigen. Versprochen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, da ist niemand. Zufrieden? Ich hab fürs Erste die Nase voll. Außerdem will ich mich wieder mehr auf die Schule konzentrieren. Und ich brauch die Ferien, um mich zu erholen. Reicht dir das?«
    »Es gibt also keinen andern?«, fragte er noch einmal nach.
    »Selbst wenn es so wäre, welchen Unterschied würde das machen? Zwischen uns ist alles vorbei, du hast deinen Fußballverein,ich mein Pferd. Mich interessiert Fußball herzlich wenig und du kannst mit Pferden nichts anfangen. Wenn du es so willst, ja, ich habe einen Freund – mein Pferd. Es stellt keine Bedingungen und ist immer für mich da. Und das ist alles, was ich brauche. Und jetzt lass mich bitte allein.«
    Als er keine Anstalten machte, aufzustehen, sagte sie: »Fahr schon, ich muss noch einen Augenblick allein sein. Bitte, bitte, bitte!«
    »Okay, hab schon verstanden«, erwiderte er mit belegter Stimme. Die Tränen in seinen Augen sah Selina nicht. »Dann mal tschüs, oder besser gesagt, adieu. Ich wünschte mir, ich wäre jetzt ganz weit weg, damit ich dich nicht immer sehen muss. Ich werde dich immer lieben.«
    »Vergiss mich einfach«, sagte sie in seltsamem Ton.
    Er stand auf, schwang sich auf sein Fahrrad, nicht ohne vorher noch einmal einen Blick auf Selina zu werfen. Sie sah kurz zu ihm auf und schüttelte kaum merklich den Kopf.
    Ein älteres Ehepaar mit einem Dackel kam an ihr vorbei. Sie sahen sie an, lächelten und nickten, als sie Selina erkannten, und gingen weiter bis zur Wegbiegung. Nachbarn. Selina blieb noch einige Minuten sitzen, kein Mensch war mehr zu sehen, obwohl es ein warmer Abend war. Nur die Geräusche startender Flugzeuge und Stimmen wie aus weiter Ferne. Ein paar wenige dünne Wolken zogen über den jetzt fast dunklen Himmel, einige funkelnde Sterne, die durch den Neumond noch heller funkelten. Das Ehepaar blieb an der Biegung noch einen Moment stehen, sie machten kehrt und kamen mit langsamen Schritten zurück, nahmen diesmal jedoch vorher eine Abkürzung in die Siedlung.
    Es war zehn vor elf, als Selina ihr Fahrrad bestieg und losfuhr. Sie bemerkte nicht den Mann in dem nachtblauen Auto, der den Motor erst startete, als er sie nur noch schemenhaft im Rückspiegel sah. Er wendete und fuhr langsam in großem Abstand hinter ihr her. Selina, dachte er, während er eine CD mit Klavierstücken von Chopin einlegte, du bist ein kleiner Engel und ein kleiner Teufelzugleich. Doch ab sofort wirst du nur noch mein kleiner Engel sein. Mit großen, großen Flügeln. Er lächelte versonnen.

Donnerstag, 12.35 Uhr
    Helga Kautz lief seit weit über einer Stunde ruhelos durch die Wohnung. Sie hatte im Reitsportverein angerufen, aber außer dem Stallburschen niemanden angetroffen, bei Miriam und Katrin, die beide sagten, dass Selina um kurz nach zehn gestern Abend das Restaurant verlassen habe, um nach Hause zu fahren. Auch Helena Malkow, Emily Gerber und Sonja Kaufmann konnten das nur bestätigen. Zuletzt
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