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Kaltes Blut

Kaltes Blut

Titel: Kaltes Blut
Autoren: Andreas Franz
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Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Sie streichelte ihm über die Blesse, flüsterte ein paar Worte, die Ohren des Pferdes spitzten sich, als verstünde es genau, was Selina ihm gerade sagte.
    »Sie ist ein echter Schatz.« Sonja Kaufmann sah Selina lächelnd nach. »Ein richtiges Juwel, findet ihr nicht?«
    »Ja, sie ist nett, wie alle unsere Mädchen. Frankreich war schon eine Reise wert«, sagte Emily Gerber ungewohnt ernst, ohne von ihrem Glas aufzuschauen.
    »Was ist mit dir? Bedrückt dich etwas?«
    »Nein, nein, alles bestens.«
    »Wir werden noch viel Freude an ihnen haben, denk dran«, meinte Sonja Kaufmann. »Die Einzige, die mir ein bisschen Sorgen bereitet, ist Nathalie. Ich glaube, es war keine so gute Idee, sie mitzunehmen. Ich muss unbedingt mit ihr sprechen und einiges klarstellen.«
    »Mach dir keine Gedanken wegen Nathalie«, sagte Helena Malkowberuhigend und legte eine Hand auf die von Sonja Kaufmann. »Ich habe das bereits getan. Es ist alles wieder in Ordnung. Sie war nur ein wenig durcheinander. Den Grund, weshalb sie heute nicht gekommen ist, kennt ihr ja. Hätte sie mich sonst angerufen und die Stunde abgesagt? Sie klang am Telefon völlig normal. Glaubt mir, ich kann mich auf mein Gefühl verlassen. So, und jetzt bestell ich uns noch ein Glas Wein, damit bekommt man nämlich die nötige Bettschwere.«
    »Für mich nicht, ich muss gehen«, sagte Emily Gerber und erhob sich. »Tschüs, bis morgen.«
    »Tschüs.« Helena Malkow sah Emily Gerber nach und anschließend Sonja Kaufmann ratlos an und zuckte mit den Schultern. Sie bestellte noch eine Flasche Wein, während Sonja Kaufmann sich eine Zigarette anzündete und Helena Malkow durch den ausgeblasenen Rauch hindurch anschaute.

Mittwoch, 22.15 Uhr
    Selina Kautz befand sich mit dem Fahrrad auf dem Heimweg nach Okriftel und fuhr entlang des Spielplatzes, von wo es nur noch wenige hundert Meter bis zu ihrem Elternhaus waren. Es war fast dunkel geworden, sie war in Gedanken versunken, als mit einem Mal, ohne dass sie es vorher bemerkt hätte, ein anderes Fahrrad neben ihr war und der Fahrer so dicht vor ihr bremste, dass sie beinahe hinfiel. Sie hob erschrocken den Kopf und war erleichtert, als sie das ihr bekannte Gesicht im letzten Schatten der Dämmerung sah.
    »Hi, Selina, können wir kurz reden?«
    »Idiot, ich wär beinahe hingeflogen!«, fuhr sie ihn an. »Was ist, ich hab keine Zeit, meine Eltern warten auf mich.«
    »Dauert auch nicht lange, ist aber wichtig. Können wir uns fünf Minuten auf die Bank setzen?«
    »Fünf Minuten, aber keine Minute länger.«
    Sie stellten ihre Räder neben der Bank ab und setzten sich, wobei Selina einen Abstand von etwa fünfzig Zentimetern einhielt.
    »Selina, ich hab’s nicht mehr ausgehalten. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich in den letzten Wochen durchgemacht habe. Warum willst du nichts mehr von mir wissen? Nenn mir doch bitte einen vernünftigen Grund, nur einen. Bitte!«
    »Das hab ich doch schon ein paarmal gemacht! Hör zu, zum letzten Mal, es hat nichts mit dir zu tun, glaub mir. Ich fühle mich einfach noch zu jung, um mich festzulegen. Du bist ein netter Typ, ich mag dich, aber ich liebe dich nicht …«
    »Netter Typ«, stieß er höhnisch hervor, »wie sich das anhört! Ein Arschloch kann unter Umständen auch ein netter Typ sein. Wir kennen uns jetzt schon seit fast zwei Jahren, und ich habe bis vor kurzem wirklich gedacht, es könnte mal was mit uns werden. Ich liebe dich über alles, und das sag ich nicht nur so dahin. Ich dachte …«
    »Das ist es doch«, unterbrach ihn Selina mit einer schnellen Handbewegung. »Du hast gedacht. Du hast immer gedacht, aber nur das, was du denken wolltest. Was ich dachte, hat dich nie wirklich interessiert. Und das ist das Problem. Du bist zwar siebzehn, aber im Kopf kommst du mir manchmal wie ein kleiner Junge vor. Tut mir Leid, wenn ich dir das so sagen muss, aber du hast einfach noch nicht herausgefunden, was Mädchen oder Frauen wollen.«
    »Du hast es mir nie gesagt.«
    »Doch, das habe ich. Ich habe dir gesagt, du sollst mir nicht immer so große Geschenke machen, auch wenn du es dir leisten kannst. Und du hast immer alles bestimmt, du hast bestimmt, wann wir wohin gehen, aber du hast mich nie gefragt, ob ich das wirklich will. Du hast auch nie akzeptiert, dass ich ab und zu meine Ruhe haben wollte, einfach nur allein sein, Musik hören, Klavier spielen oder etwas lesen. Selbst das Reiten war dir nicht recht. Und ständig hast du angerufen
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