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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden
Autoren: Liza Marklund
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in Schweden im Gefängnis saß«, sagte sie. »Im Laufe der Jahre wurde sie jedoch nachlässig. Astrid konnte große Geldsummen verschleudern, Lieferungen verspäteten sich und wurden beschlagnahmt. Als Filip das Ausmaß der Schlamperei erkannte, stellte er Carita ein Ultimatum: ihre Familie oder Astrids.«
    »Grauenvoll«, murmelte Annika.
    Fatima verzog keine Miene.
    »Es war nicht das erste Mal, dass Carita Halling Gonzales aufgeräumt hat. Wissen Sie, warum Sie hier auf die Farm gelassen wurden?«
    Annika schüttelte den Kopf, unfähig zu antworten.
    »Glauben Sie an Gott, Annika Bengtzon?«
    Sie schluckte.
    »Nicht direkt.«
    Fatima legte die Hände auf dem Schoß zusammen.
    »Nun ja«, sagte sie, »Schweden ist sehr säkularisiert. Haben Sie Respekt vor Menschen, die gläubig sind?«
    Annika nickte.
    »Dann können Sie vielleicht verstehen, dass mein Gott das Wichtigste in meinem Leben ist? Wichtiger als meine Kinder und meine Familie, mein Haus und meine Arbeit?«
    Annika antwortete nicht.
    »Meinem Glauben zufolge darf ein Mann vier Ehefrauen haben. Ich war seine erste, und er nahm sich eine zweite. So betrachte ich meine Ehe. Ich kenne die abendländischen Sitten und Gebräuche sehr wohl, aber ich erwarte, dass Sie meine auch akzeptieren.«
    Annika wartete stumm darauf, dass sie weitersprach.
    »Mein Mann und ich bekamen nur Töchter. Aber mit seiner Zweitfrau bekam er einen Sohn, Alexander. Sie haben das Kind meines Mannes gerettet, seinen einzigen Sohn. Dafür stehe ich in Ihrer Schuld, und deshalb wurden Sie eingelassen.«
    »Ich dachte, muslimische Frauen dürfen keine christlichen Männer heiraten«, wandte Nina ein.
    Fatima sah sie verwundert an.
    »David ist zum Islam konvertiert. Wussten Sie das nicht?«
    Sie erhob sich. Nina und Annika standen ebenfalls auf.
    »Sie bleiben heute Nacht hier«, sagte sie. »Abbas wird Sie morgen früh nach Tanger bringen.«
    Sie sah Annika an.
    »Meine Aufgaben gegenüber Suzette habe ich erfüllt. Sie kann selbst entscheiden, ob sie ein Interview geben will. Ich glaube an den freien Willen des Menschen. Gott ist kein Zwang, sondern ein Geschenk.«
    Dann seufzte sie, und es schien, als sänke sie ein wenig in sich zusammen.
    »Es steht Ihnen beiden frei, zu berichten, was Sie heute Abend auf der Farm getan haben«, sagte sie. »Ich drohe niemandem und wende niemals Zwang an. Ich überlasse es Ihrem Urteilsvermögen, inwiefern Sie sich für Ihre eigenen Handlungen verantworten.«
    Irgendwo im Haus begannen einige Frauen zu singen.
    »Das Fenster in Ihrem Zimmer ist zerbrochen«, sagte Fatima zu Annika. »Amira wird Sie in einem anderen Schlafzimmer unterbringen. Sie finden sie in der Küche.«
    Sie winkte sie mit einer Handbewegung davon, und aus dem Augenwinkel sah Annika, wie sie ans Fenster trat und ins Dunkel starrte.
    Annika bekam ihren Laptop, die Kamera und das Mobiltelefon zurück. Zu ihrem Erstaunen entdeckte sie, dass das Handy gute Funknetzverbindung hatte.
    »Mama hat einen Mast aufstellen lassen«, sagte Amira. »Wir haben auch eine eigene Energieversorgung, über Solarzellen und Windräder. Das reicht für das Haus und den Stall, allerdings nicht, wenn wir die ganze Mauer mit Scheinwerfern anstrahlen. Dann wird das Licht so seltsam und dunkel wie gestern Abend …«
    »Wie geht es Zine?«, erkundigte sich Annika.
    In Amiras hübschem Gesicht zuckte es.
    »Er ist gestorben«, antwortete sie. »Das Begräbnis ist morgen. Hier entlang. Da vorn ist eine Küchentreppe.«
    Sie führte sie dieselbe schmale Steintreppe hinauf, die Annika und Ahmed am Abend zuvor benutzt hatten. Die Lampen im Korridor strahlten jetzt viel heller, da die Scheinwerfer auf der Mauer ausgeschaltet waren.
    »Das Fenster in Ihrem Zimmer ist kaputt«, sagte sie zu Annika.
    »Ich weiß. Meine Tasche ist noch dort, kann ich sie holen?«
    Das Mädchen nickte.
    »Die Tür ist offen. Suzette und ich haben das große Zimmer für Sie zurechtgemacht. Das ist viel schöner, und es hat elektrisches Licht. Das Badezimmer ist hier.«
    Sie zeigte auf die Tür nebenan.
    Annika und Nina wechselten einen schnellen Blick und betraten ihr gemeinsames Schlafzimmer. Annika ließ die Tür einen Spalt offen. Niemand schloss hinter ihr ab.
    Der Raum war wirklich viel größer als ihre bisherige Zelle. Es gab zwei breite Betten, einen großen Schreibtisch, zwei Sessel und sowohl Deckenlicht als auch Nachttischlampen.
    »Ich gehe duschen«, sagte Nina.
    Sie verschwand nach draußen ins Bad. Annika legte ihre
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