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Kalter Süden

Kalter Süden

Titel: Kalter Süden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Dunkelheit zu gewöhnen. Ihr Blick blieb an dem Fleck auf der Erde hängen, wo der Mann mit den hellen Augen sein Leben ausgehaucht hatte.
    Nina setzte sich neben sie.
    »Ich habe ihn wiedererkannt«, sagte Annika und zeigte auf den Fleck. »Das war der Mann, der mir in den Finger geschnitten hat.«
    Nina blickte in den Himmel.
    Die Sterne flimmerten und blinkten, deutlicher und klarer, als Annika sie jemals gesehen hatte. Sie fühlte sich zittrig, aber auch seltsam munter.
    Sie schwiegen eine Weile.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte Annika schließlich und sah Nina an.
    Die Polizistin sammelte ein paar Kieselsteine auf, wog sie in ihrer Hand und ließ sie wieder fallen.
    »Wie betäubt«, antwortete sie. »Ich habe noch nie einen Menschen erschossen. Es war viel leichter, als ich dachte.«
    Sie hob den Arm, als hielte sie ein Gewehr, schloss ein Auge und krümmte den Finger um einen imaginären Abzug.
    »Mit einer AK - 47 zu zielen ist schwer«, sagte sie und ließ den Arm wieder sinken. »Diese hier hatte einen langen Lauf, sonst hätte ich es wohl nicht gewagt. Ich bin in die Knie gegangen und habe ihn von unten erschossen. Eine Kugel dieses Kalibers kann durchaus einen Körper durchschlagen, und ich wollte doch die Menschen dahinter nicht gefährden …«
    »Du hast wirklich gut getroffen«, sagte Annika.
    Nina warf ihr einen Seitenblick zu.
    »Ich habe auf den Rumpf gezielt«, sagte sie. »Wahrscheinlich habe ich den Lauf beim Abdrücken verzogen. Pures Glück, dass ich sonst niemanden angeschossen habe.«
    Annika wandte den Blick ab. Vielleicht hatte es geholfen, dass Nina als ausgebildete Polizistin darauf trainiert war, mit Gewaltsituationen umzugehen, und schießen gelernt hatte.
    »Warum bist du hergekommen?«, fragte Annika.
    Nina antwortete leise und beherrscht.
    »Filip kam am Dienstag zu mir, gegen Mittag, und wollte einen Pass haben. Ich fragte ihn, wo er hinwollte. ›Costa del Sol‹, sagte er, ›da sind die Geschäfte ein bisschen aus dem Ruder gelaufen.‹ Ich meinte, dass er doch mit seinem schwedischen Personalausweis fliegen kann, aber da wurde er wütend. ›Geh zur Meldebehörde und beantrage einen Pass‹, habe ich gesagt, ›dann werde ich versuchen, den Vorgang zu beschleunigen …‹«
    Sie blickte in die Dunkelheit, schlang die Arme um den Leib.
    »Abends rief er mich an und fragte, ob ich wüsste, wo die Farm liegt. ›Astrid hat ja immer so ein Geheimnis aus der Plantage gemacht‹, sagte er. Ich sagte, ich wüsste nicht, wovon er redet. ›Hör auf, so scheinheilig zu tun‹, sagte er. ›Es wird Zeit, dass du dich auch mal nützlich machst, jetzt sind ja nur noch wir beide übrig. Außer dem Kind.‹ Ich verstand nicht, was er meinte.«
    Sie schwieg und sah zu Boden.
    »Dann sagte er: ›Ich gehe jede Wette ein, dass sie auf der Farm ist‹, und legte auf. Das war das letzte Mal, dass ich mit ihm gesprochen habe …«
    Annika wartete stumm ab.
    »Ich wollte mit ihm reden«, sprach Nina schließlich weiter. »Ich habe heute Morgen den Flieger nach Málaga genommen. Deshalb bin ich hergekommen. Um ihn zur Vernunft zu bringen.«
    »Aber wie hast du hergefunden?«
    Nina holte tief Luft und warf einen schnellen Seitenblick auf Annika.
    »Durch dich«, antwortete sie. »Du hattest mich am Telefon dieselben Sachen über die Farm gefragt wie Filip, aber du hast gesagt, wo sie liegt. In Marokko, außerhalb von Asilah. Ich bin zum muqaddam gegangen, der erzählte, ich sei schon die zweite weiße Frau innerhalb von zwei Tagen, die nach der Farm fragt, also bin ich davon ausgegangen, dass du schon hier bist … Wann bist du angekommen?«
    »Gestern Abend. Sie haben mich sofort eingesperrt.«
    Nina strich sich über die Stirn und sah sehr müde aus.
    »Sie wussten, dass Filip kommen würde. Sie wollten dich vermutlich aus dem Weg haben, bis es vorbei war.«
    Annika sah sie an. Nina schwieg eine ganze Weile.
    »Ich werde niemals mit irgendjemandem darüber reden können«, sagte sie.
    Annika wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie versuchte sich vorzustellen, was Nina dachte oder fühlte.
    Erinnerte sie sich an all die Male, die sie ihren Bruder im Gefängnis von Kumla besucht hatte? Dachte sie an einen großen Bruder, der sie an Weihnachtsabenden und Geburtstagen hoch in die Luft gehoben hatte? Oder sah sie nur noch den Verbrecher, der immer noch mehr Menschen umbringen wollte?
    »Er hätte mich erschossen«, meinte Annika. »Du hast uns allen das Leben gerettet.«
    Nina rührte

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