Kalter Grund - Almstädt, E: Kalter Grund
verbringen möchte, nach allem, was hier so los ist.«
»Das bleibt natürlich allein Ihnen überlassen, Frau Gädeke«, sagte Marten leichthin und musterte sie durch den Rauch seiner Zigarette hindurch. »Ich frage mich nur gerade, ob und wann bestimmte Personen Zugang zu Ihrem Haus hatten.«
»Das haben wir doch neulich alles schon durchgekaut«, entgegnete Ernst Gädeke, »wir sagten Ihnen, dass zum 60. Geburtstag meiner Frau fast alle Nachbarn kurz auf einen Sekt bei uns waren.«
»Wann genau war das?«
»Am 12. September, elf bis vierzehn Uhr«, lautete die prompte Antwort von Ilse Gädeke.
»Können Sie sich erinnern, ob Kay Rohwer auch da war?«
Ilse Gädeke runzelte die Stirn, ging in Gedanken die Gäste durch, während Ernst den Hintergrund dieser Frage durchdachteund sagte: »Ich glaube, Sie fischen in ganz trübem Gewässer, Herr Unruh. Kay Rohwer war, wenn überhaupt, nur ganz kurz in unserem Haus. Soweit ich mich erinnere, hatten wir den Sekt auf der Terrasse getrunken, weil es ein so schöner Tag war. Er hatte an diesem Tag schlicht und einfach nicht die Gelegenheit, unser Haus auszuspionieren.«
»Er war aber da«, sagte seine Frau, »ich erinnere mich, dass er mir beim Verschieben der Gartenbank half. Aber er ist nur kurz geblieben. Frau Rohwer blieb mit den Kindern etwas länger.«
Marten ließ sich das kurz durch den Kopf gehen. Wenn Kay Rohwer es wirklich so getan hatte, wie sie annahmen, dann musste er zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal dort gewesen sein und sich in Ruhe umgesehen haben.
»War er in letzter Zeit noch einmal da?«, fragte er eindringlich, doch die Gädekes schüttelten einvernehmlich den Kopf. Blieb nur noch die Möglichkeit, dass er allein oder vielleicht in Anwesenheit der Putzfrau drinnen gewesen war. Es kam Marten so vor, als könne er das letzte Puzzleteil nur mit Gewalt in das Gesamtbild pressen. Es passte nicht ganz. Er musste weiterhin damit rechnen, dass Agnes Kontos sich täuschte oder aus ihm unbekannten Gründen log. Wer wusste schon, was im Kopf eines 16-jährigen Mädchens vor sich ging.
Er seufzte tief und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. Dann erhob er sich mit ein paar unverbindlichen Worten des Dankes. Er musste sich sofort mit seinem Chef in Lübeck in Verbindung setzen. Zum einen brauchte er einen Durchsuchungsbeschluss für das Haus der Rohwers, zum anderen Schutz für die kleine Kontos. Er glaubte zwar nicht, dass sie hier im Hotel ernsthaft in Gefahr war, aber diesbezüglich würde er kein Risiko eingehen. Es reichte, dass während ihrer Ermittlungen in Grevendorf Hanno Suhr ermordet worden war.
Marten Unruh wollte gerade nach Kiel aufbrechen, als Pia die Treppe hinunterkam.
»Wo willst du jetzt hin?«, fragte sie misstrauisch. Sie sah von Marten zu Hannes Steen, der ebenfalls auf dem Weg nach draußen war und eine unbeteiligte Miene machte.
»Ich fahre nach Kiel, um Kay Rohwer in seiner Firma abzufangen«, antwortete Marten, »Steen wird mich begleiten. Ich habe eben mit Frau Rohwer telefoniert. Sie sagte, ihr Mann sei im Büro, um zu arbeiten. Ich will Kay Rohwer ein paar Fragen stellen, bevor er erfährt, dass wir Agnes haben, und vor allem, bevor die Leute mit dem Durchsuchungsbeschluss in seiner Wohnung auftauchen.«
»Ich denke, da sollte ich mitfahren«, sagte Pia entschlossen.
»Nein, ich brauche dich hier. Pass in der Zwischenzeit auf unsere Prinzessin auf.«
In Pias Stimme schwang ein aggressiver Unterton mit, als sie entgegnete: »Du hast Thomas Roggenau bereits dazu verdonnert, Agnes zu bewachen!«
»Also, bis nachher dann!« Marten wandte sich zum Gehen. Pia trat schnell einen Schritt auf ihn zu und sagte leise, damit es niemand anders mitbekam: »Sei dir deiner Sache nicht zu sicher. Agnes hat ihren Verfolger nicht erkannt. Es könnte auch jemand anders gewesen sein!«
»Um denjenigen kannst du dich ja in der Zwischenzeit kümmern ...«, erwiderte er.
»Das werde ich auch.«
Bettina Rohwer wurde von den drei Männern, die plötzlich vor ihrer Haustür standen und einen Durchsuchungsbeschluss vorzeigten, völlig überrascht. Sie war gerade damit beschäftigt, die Fliesenböden zu wischen, und das T-Shirt klebte ihr feuchtam Rücken. Eine verschwitzte krause Haarsträhne hing ihr vor dem rechten Auge. Sie strich sie sich hinter das Ohr, bevor sie sich den amtlich aussehenden Zettel durchlas. Anschließend blickte sie ratlos von einem zum anderen. Einer der Männer schaute teilnahmslos, die beiden anderen
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