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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels
Autoren: Stefan Koenig
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und Wein gebracht wurden – eine gute Flasche Barolo aus dem Piemont, was Reuss’ bevorzugte Weingegend war –, ergriff Hosp das Wort.
    »Ich möchte euch allen danken«, sagte er. »Ihr habt Licht in Geschichten gebracht, die vonseiten der Polizei und der Justiz längst abgehakt waren. Ihnen, Dr. Reuss, und dir, Paul, gebührt wirklich Anerkennung. Ihr habt diese Fälle ausgegraben und habt nicht nur daran geglaubt, dass es sich um Verbrechen handelt, ihr habt bei deren Aufklärung gleich auch noch eine Dynamik an den Tag gelegt, dass man nur sagen kann: Hut ab. Wirklich allen Respekt.«
    Reuss hob sein Glas und sagte: »Lasst uns darauf anstoßen! Auf die gelösten Fälle. Und auf unsere Marielle, die heute leider nicht dabei ist.«
    Sie hoben alle die Gläser und brachten sie zum Klingen.
     
    Marielle saß zur selben Zeit mit einer Bekannten im »Treibhaus«. Tesi kam aus München. Sie studierte in Bozen, und in schöner Unregelmäßigkeit nutzte sie das Umsteigen am Innsbrucker Bahnhof zu einem Zwischenstopp. Sie hatten sich vor zwei Jahren beim Klettern in der Ehnbachklamm kennengelernt, zufällig. Und sie hatten sich auf Anhieb sympathisch gefunden. So war eine leise Freundschaft daraus erwachsen, ohne dass sie sich allzu oft sahen. Sie hielten Kontakt über Facebook, telefonierten gelegentlich miteinander. Und dann war da ja noch die Zeit zwischen zwei Zügen.
    »Da hast du echt einiges durchgemacht«, sagte Tesi. »Und das jetzt schon zum zweiten Mal. Wenn du mich fragst: Du solltest in Zukunft die Finger von solchen Jobs lassen.«
    »War ja eigentlich kein Job. War meine eigene Dummheit. Die anderen haben recherchiert und ermittelt und eine ganze Menge herausgefunden. Da bin ich mir irgendwo so unsinnig vorgekommen. Ich hab mir das nicht eingestanden …«
    Tesi sah sie fragend an.
    »Ohne es mir bewusst zu machen, habe ich immer intensiver versucht, meinen Teil zu dieser Jagd beizutragen. Ich war sogar schon eifersüchtig auf Pablo, der, wie ich geglaubt habe, viel mehr involviert war in die Ermittlungen als ich. Und vor lauter Ehrgeiz hab ich mich dann völlig in diese Geschichte verrannt.«
    Tesi ließ sich erzählen, was sich ereignet hatte. Gebannt hörte sie Marielles immer wieder stockender Schilderung zu. Als sie zu Ende erzählt hatte, sagte sie: »Du musst wirklich auf dich aufpassen. Das ist jetzt ja schon das zweite Mal, dass du so wo hineingerätst.«
    Sie sah ihr in die Augen. »Und du weißt ja, es gibt Leute, die ziehen Kalamitäten geradezu an. Bis jetzt hast du Glück gehabt. Aber …«
    Marielle nickte. Ihr Gesicht zeigte ein ganz kleines Lächeln.
    Als sie eine halbe Stunde später gemeinsam am Innsbrucker Bahnhof den Zug Richtung Süden erwarteten, sagte Tesi zum Abschied: »Komm doch einfach ein paar Tage zu mir nach Bozen. In unsrer WG ist Platz. Wir können an den Abenden was unternehmen. Und am Wochenende fahren wir zum Bouldern rauf in die Città dei Sassi. Ist wunderschön dort oben. Und ich glaube, es täte dir gut, auf andere Gedanken zu kommen.«
    Marielle bedankte sich, versprach, das Angebot zu überdenken, und winkte Tesi noch nach, als der Zug aus dem Bahnhof fuhr.
    Wie in einem alten Film, dachte sie. Da stehen die Leute auch immer am Bahnsteig und winken den Abfahrenden nach. Macht man heute ja kaum mehr. Abfahren ist irgendwie etwas ganz Alltägliches geworden.
    * * *
     
    »Das Mädchen macht mir Sorgen«, sagte Hosp. Er legte sein Besteck in den Teller, tupfte sich mit der Serviette die Lippen ab und trank einen Schluck vom Barolo. Sie hatten sich mittlerweile eine zweite Flasche bringen lassen. »Macht mir wirklich Sorgen. Ich habe den Eindruck, dass sie das Unglück geradezu anzieht …«
    »Ich würde eher sagen, dass sie vom Glück verwöhnt ist«, sagte Reuss. Und Schwarzenbacher pflichtete ihm bei: »Das Glück von fünf Schutzengeln.«
    »Ihr wisst, was ich meine. Natürlich hat sie Glück gehabt. Verdammtes Glück. Und das zwei Mal. Aber es war jedes Mal verflucht knapp. Es hätte an der Schattenwand und jetzt in Scharnitz nicht viel gefehlt, und wir hätten die schwarzen Krawatten aus dem Schrank holen können. An der Schattenwand ist sie noch ganz zufällig in die Bredouille geraten. Aber jetzt, hier …«
    Pablo schüttelte entschieden den Kopf. Er wollte nicht, dass Marielle kritisiert wurde. Er wollte, dass sie wenigstens ein bisschen gefeiert wurde für das, was sie geschafft hatte. »Wenn Marielle nicht gewesen wäre«, sagte er trotzig,
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