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Kalter Fels

Kalter Fels

Titel: Kalter Fels
Autoren: Stefan Koenig
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bewunderte sie sehr. Oder auch das Buch über Reinhard Karl, jenen vor langer Zeit tödlich verunglückten Bergsteiger, Kletterer und Fotografen, der in der Alpinszene bis heute Kultstatus besaß.
    Nach nochmaligem Abwägen entschied sie sich für Papert. Dann ging sie weiter. Das Spiel war vorüber.
    * * *
     
    »Paul hat mir schon von diesen Steinschlag-Morden erzählt«, sagte Ellen, die sich als Lehrerin vorstellte, die im Frühjahr nach Innsbruck versetzt worden war. »Und manches kann ich nachvollziehen. Nicht nachvollziehbar sind für mich aber diese Morde, wo ein paar junge Männer zwei Wanderer einfach so erschlagen haben. Woher rührt diese Gewalt? Können Sie mir das sagen? Es interessiert mich nicht nur aus Neugier, sondern auch, weil ich mich manchmal frage, ob in den Reihen meiner Schüler auch solche gewaltbereiten jungen Menschen sind. Vielleicht ganz unauffällige Burschen, die dann plötzlich zu Monstern werden.«
    Die Männer sahen sich an. Wer sollte antworten? Schwarzenbacher hatte bestimmt schon längst mit seiner Freundin oder Bekannten oder wie immer man es nennen sollte, gesprochen, wahrscheinlich ohne dabei zufriedenstellend Auskunft gegeben zu haben. Reuss? Hosp? Wer hatte überhaupt Antworten darauf?
    »Es sind keine Monster«, sagte dann Reuss. »Es sind Kinder. Kinder unserer Zeit. Und unsere Zeit nimmt es nicht mehr sehr genau mit ihnen. Verstehen Sie mich nicht falsch, Ellen, ich will keinen dieser Mörder in Schutz nehmen. Aber ich will auch nicht einfach so glauben, dass sie als Unmenschen, als Mörder, auf die Welt kommen.«
    Er zeichnete mit der Kuchengabel Muster in die Vanillesauce, die von seiner Nachspeise noch übrig war.
    »Schauen Sie auf die Nachrichten aus den Städten«, fuhr er fort. »Wieder und wieder schlagen Jugendliche jemanden zusammen. Treten auf am Boden Liegende ein. Schlagen und treten, als wäre der Tod etwas, was man ohne Weiteres in Kauf nehmen könnte. Warum? Warum nur?«
    »Genau«, sagte sie. »Darüber habe ich mich mit Paul mehrfach unterhalten, und es ist uns ein Rätsel geblieben. Man ist einfach fassungslos, wenn man so was hört oder darüber liest.«
    Der Ober kam an den Tisch, fragte, ob er noch etwas bringen dürfe. Vor den Fenstern senkte sich die Nacht übers Tal und auf die Stadt.
    Und auf manche Frage gab es einfach keine endgültige Antwort.
    * * *
     
    Beim Tiroler Landesmuseum bog Marielle nach links in die Museumstraße. Einen Moment lang überlegte sie, doch noch zur Hungerburgbahn zu gehen und hinaufzufahren zur »Wolke 7«.
    Doch sie verwarf diesen Gedanken gleich wieder.
    Pablo hätte mich ja mal anrufen können, dachte sie.
    Die Straßenbahnlinie 3 fuhr an ihr vorüber. Marielle sah die Fahrgäste, sie saßen und standen, es war noch ziemlich viel los in der Stadt.
    Sie sah die Menschen, doch sie nahm sie nicht wirklich wahr. In Gedanken war sie in Bozen, bei Tesi. Wäre wirklich eine gute Sache, dachte sie. Bisschen bouldern, abschalten und Abstand gewinnen.
    Vor der Wagner’schen Buchhandlung blieb sie noch einmal stehen. Die Schaufenster waren hell erleuchtet. Kochbücher. Esoterisches. Tiroler Heimatbücher. Und Krimis.
    Welchen würde ich nehmen, geschenkt?
    Da lagen Taschenbuchausgaben von Mankells Wallander-Fällen, von Stephen King das neueste Hardcover und jede Menge Paperbacks des boomenden Genres.
    Marielle wollte sich gerade spielerisch eines der Bücher aussuchen, da fiel ihr Blick auf eine Reihe von Taschenbüchern, die allesamt alpine oder pseudoalpine Titelblätter aufwiesen. Und alle waren als Alpenkrimis gekennzeichnet.
    Was soll denn der Scheiß?, dachte Marielle.
    Alpenkrimi. Als wenn diese Schreiberlinge auch nur die geringste Ahnung hätten.
    Sie wandte sich ab, dachte noch einmal: So ein Käse, und machte sich auf den Nachhauseweg.
    Von Alpenkrimis aller Art hatte sie die Nase gestrichen voll.
     
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