Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalteis

Kalteis

Titel: Kalteis
Autoren: Andrea Maria Schenkel
Vom Netzwerk:
die Geschwindigkeit, wich den Schlaglöchern auf dem Weg aus. Es ging durch Wiesen und Felder hinab zum alten Mühlbach.  Beide kannten sie die Gegend, fuhren sie doch häufig hier heraus. Fast immer an freien Tagen. Im Sommer zum Baden. Im Herbst zum Brombeeren oder Pilze suchen oder einfach nur, um sich den Tag zu vertreiben. Ihr Weg führte sie am Bachlauf entlang ein Stück flussaufwärts. Eine Pause wollten sie machen. Sich an den Uferlauf setzen, vor sich hindösen, nur tun, was sie wollten.
    Am alten Mühlbach war das Ufer dicht bewachsen, mit Schilf und Sträuchern. An beiden Seiten des Ufers und den Abhang hinauf. Hin und wieder führten schmale Pfade vom Weg ab hinab zum Bach. Zu geheimen Plätzen für Angler, Badende, Liebespaare. Sie fuhren daran vorbei, wollten sie doch zur alten Brücke, der einzigen Stelle, an der man sich direkt an den Abhang setzen konnte, die unbewachsen war. Von der Brücke war schon längst nichts mehr zu sehen. Nur im Wasser nahe dem Ufer sah man noch die Reste. Dort hatte das alte, nur noch aus wenigen Steinen bestehende Fundament verhindert, dass sich die Vegetation auch hierhin ausbreiten konnte. Nur dort war der Blick frei auf das Ufer, konnte man ungehindert hinabsteigen zum Bach. Sie wollten das Motorrad abstellen, sich auf einer Decke in die Sonne legen. Thermoskanne, Brote, alles hatten sie mitgebracht, danach würde die Fahrt weiter am Bach entlanggehen, Pilze und Brombeeren wollten sie auf dem Rückweg für die Mutter mitnehmen. Hatten sie ihr versprochen.  Sie haben den Platz erreicht, stellen das Motorrad ab. Johann geht ein Stück den Abhang hinunter Richtung Bach. Da sieht er den kleinen, blauen Hut. Mehr eine Kappe ist es, dunkelblau mit hellblauer Verzierung. Weiße Bänder der Schleife treiben im langsam dahinfließenden Wasser. Die Kappe selbst hat sich verfangen. Ist hängen geblieben an einem angeschwemmten Stück Holz, am linken Uferrand. Gefangen wie die Ästchen und das angeschwemmte Erdreich.
    Aufgefallen sind ihm nur die im Wasser treibenden Bänder. Die weißen, tanzenden Bänder der Kappe. Neugierig geworden, ist er näher herangetreten, will es genauer sehen. Den Abhang ist er dazu ein Stück hinabgestiegen, bis er den Hut genau erkennen kann. Verwundert sieht er ihn an,  überlegt sich, wie und ob er es aus dem Wasser bergen soll, das auf der Strömung tanzende Hütchen. Das Wasser ist klar, die Strömung schwach an dieser Stelle. Sein Blick wandert am Ufer entlang. Er kann aber keinen geeigneten Einstieg finden. Er will es weiter oben versuchen. Dort ins Wasser einsteigen, hinabwaten bis zur Kappe, sie bergen. Der Hut würde sich in der Zwischenzeit nicht lösen. Würde hängen bleiben an seinem Hindernis, die Strömung ist schwach.
    Er geht ein paar Schritte flussaufwärts. Krempelt die Hosenbeine hoch, zieht die Schuhe aus. Klettert hinab bis zum Uferrand, beugt sich nach vorn, um zu sehen, ob er die kleine Furt schon erreicht hat. Noch nicht, das Ufer fällt an dieser Stelle noch steiler ab, das Wasser erscheint ihm tiefer, als es in der Nähe der Kappe war. Sein Blick wandert weiter das Ufer entlang. Bleibt hängen an einem Wurzelstock. Etwas Weißes leuchtet ihm darunter entgegen.  Da sieht er sie. Sie liegt eingeklemmt unter eben diesem Wurzelstock im Wasser. Nur die weiße Haut der Beine ist zu sehen, die unter dem Wurzelstock hervorragen. Der Rest ist dem Blick entzogen. 
    Er ruft nach seinem Bruder. Der kommt zögernd. Glaubt nicht an das, was Johann ihm zugerufen hat. »Du siehst Gespenster. Wo liegt eine im Wasser?«
    »Hier, ich sehe sie. Du musst mich festhalten. Das Ufer ist hier zu steil. Musst mich halten, damit ich nicht ins Wasser falle.«
    Johann streckt dem Bruder den Arm entgegen. Der packt zu, hält den Bruder fest, stemmt sich dagegen. Johann beugt sich, soweit es geht, in den Bachlauf hinein. Blickt in das tiefe, klare, träge dahinströmende Wasser. Von dem Körper selbst sieht er nur die Hand und die Beine.  Die Hand, sie liegt seitlich dem Körper an. Etwas Silbernes glänzt am Gelenk. Ein Armreif, nein, eher ein Stück Draht, eine Fessel.
    Alwin drängelt: »Und? Was ist los? Was siehst du?«
    »Ich kann nicht viel sehen«, antwortet sein Bruder. »Eine Frau ist es oder ein Mädc hen. Sie muss auf dem Bauch lie gen. Zugedeckt ist sie mit Fichtenzweigen. Nur die Beine sind deutlich zu sehen und eine Hand.«
    »Lass mich, vielleicht sehe ich mehr«, sagt Alwin.
    Johann sucht einen besseren Stand am Ufer. Vorsichtig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher