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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten
Autoren: Werner Toporski
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richtiges, neues und unbeschreiblich schönes Schürzenkleid hinter ihrem Rücken hervor.
    Erst einmal bin ich vollkommen sprachlos. Dann falle ich ihr um den Hals: »Bożena!«
    Sie hält mich fest.
    »Das soll wirklich für mich sein?«, frage ich und kann es immer noch nicht glauben.
    Vorsichtig ziehe ich das Schürzenkleid über meine alten Sachen. Es ist wunderschön, mit Taschen rechts und links und einer Rüsche am Saum. Ich drehe mich darin hin und her.
    »Das ist so schön …« Auf einmal kann ich nicht mehr weiterreden, irgendetwas scheint mir in die Kehle geraten zu sein. Mit einem neuen Anlauf schaffe ich es: »Die zieh ich aber jetzt nicht an!«, sage ich entschieden und streife die Schürze ab.
    »Warum denn nicht?«
    »Meinst du, ich will sie gleich dreckig machen?«
    Und so kommt es, dass ich, obwohl im Besitz einer neuen Schürze, sogar eines richtig schönen Schürzenkleides, trotzdem den Teig in meinen alten, zerlumpten und halb zerfallenen Kleidern ansetzen und die Laibe formen helfe.
    Als wir fertig sind und Hanka die Brote in den vorgeheizten Backofen geschoben hat, wasche ich mir gründlich die Hände, dann ziehe ich mein altes Zeug aus und schlüpfe in die neue Schürze! Ein unglaubliches Gefühl! Eine Königin könnte sich nicht großartiger fühlen als ich!
    So sorgfältig habe ich noch nie ein Kleid über meinen Stuhl gelegt wie die neue Schürze an diesem Abend. Ganz glatt streiche ich sie.
    Und selten habe ich so glücklich in meinem Bett gelegen. Heute Nacht, das weiß ich, heute Nacht kommen keine Gespenster!
     
    Mama ist da!
    Sie hat sich getraut, obwohl es ziemlich weit ist. Nicht ganz so weit wie beim letzten Mal, aber immerhin. Und erwischen lassen darf man sich noch immer nicht!
    »Mama!«
    Mitten im Buttern lasse ich die Kurbel fahren und fliege ihr an den Hals.
    »Wie schön, dass du da bist!«
    Und doch ist es diesmal eine ganz andere Begrüßung. Damals hatte ich so unendliche Sehnsucht nach ihr, Sehnsucht nach Liebe und Verlässlichkeit, nach Fürsorge und Geborgenheit. All das hatte ich ja entbehrt, und wie eine Verdurstende nach Wasser giert, so gierte ich nach meiner Mutter. Ich war fast nur von Bösem und Widerwärtigem umgeben und sehnte mich nach jener Welt, die mir vertraut war.
    Das ist jetzt anders. Es ist herrlich, dass Mama gekommen ist, und ich freue mich aus tiefstem Herzen. Aber eines ist nicht mehr damit verbunden: der schier unbezwingbare Wunsch, mich in ihre Obhut zu begeben, um endlich wieder Frieden und Sicherheit zu genießen. Hier habe ich meinen Frieden, habe ich meine Sicherheit, und ich spüre keinerlei Angst, dass mir hier irgendetwas Schlimmes geschehen könnte.
    Es ist ein schönes Beisammensein, und Mama freut sich, denn sie merkt, wie gut es mir hier geht. Bloß beim Abschied, als ich einfach nur »Grüß Huppe und Wolfi« sage, scheint sie etwas enttäuscht. Vielleicht hat sie herausgehört, dass ich mich hier so wohl fühle wie früher nur bei ihr; dass ich jetzt auch zu Piotrs Familie gehöre und dass Bożena vielleicht so etwas wie große Schwester und Mutter in einem für mich ist. Und ich bin hier wirklich auf eine Art zu Hause, wie ich es früher nur in unserer Familie war.
    Und natürlich bin ich selbstständiger geworden, kann vieles allein, wofür ich früher sie gebraucht habe. Vielleicht spürt sie, dass ich jetzt zwei Welten angehöre: ihrer und Bożenas. Und manchmal frage ich mich sogar, ob ich nun noch nach Deutschland oder eher nach Polen gehöre. Beides gehört zu mir und ich will mich auch gar nicht entscheiden.
    Aber als sie gegangen ist, hat Mama gestrahlt, weil sie gemerkt hat, wie fröhlich ich bin.
    »Smakuje?« 20 , fragt Piotr in die Runde.
    »No pewnie!«**, tönt es von allen Seiten.
    Es ist Schlachtfest, der ganze Hof feiert und alle Nachbarn sind eingeladen.
    »Das Schönste am Winter ist, dass da die Sau geschlachtet wird!«, meint Andrzej, der Sohn vom Nachbarn.
    Die Tische biegen sich, es gibt Würste und Siedfleisch und Kraut und Kartoffeln. Alle essen, als gäbe es nur ein einziges Mal im Jahr etwas.
    »Nehmt, Kinder, nehmt!«, ruft Hanka. »Warum esst ihr denn nicht? Es bleibt ja alles übrig.«
    »Ich kann wirklich nicht mehr!«, stöhnt Paweł und auch ich selber bin kurz vorm Platzen.
    »Ihr Schwächlinge!«, höhnt Piotr, fischt sich noch ein Stück Siedfleisch aus dem Topf und lässt es auf seinen Teller klatschen. »Wie wollt ihr denn groß und stark werden, wenn ihr nichts esst?«
    Irgendwann gibt auch
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