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Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten

Titel: Kalte Zeiten - Toporski, W: Kalte Zeiten
Autoren: Werner Toporski
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Kuh!
    Wie kann man nur solche Füße haben!«, ruft Mama und schüttelt den Kopf.
    Ich antworte nichts. Summe nur vor lauter Glück irgendetwas vor mich hin. Kann mir jemand sagen, ob es mir in meinem Leben jemals besser gegangen ist?
     
    Ich hätte es mir denken können: Hier kann ich nicht bleiben. Der Bauer, für den Mama arbeitet, ist zwar sehr freundlich, aber seine Frau ist ein ziemliches Biest und nicht viel besser als die vom letzten Hof. Nur widerwillig hat sie zugestimmt, dass ich hier bleiben durfte, solange ich krank war. Doch jetzt macht sie uns bei jeder Gelegenheit klar, dass das kein Dauerzustand werden dürfe. Mama ist das zwar erst mal egal, weil es der Bauer ist, der hier zu bestimmen hat, aber für die Zukunft muss sie etwas anderes finden.
     
    Sie wollen mich zu einem anderen Hof schicken. Mama hat es vorgeschlagen, und der Bauer hat gesagt, mit der Miliz werde er das schon regeln.
    »Die Leute dort sind wirklich freundlich!«, versucht Mama mich zu überzeugen.
    Meine Angst aber kann sie nicht vertreiben! Ich will nicht hier weg! Jede Veränderung bedeutet Gefahr! Wenn ich eines gelernt habe in den letzten zwei Jahren, dann das: Wo immer man ein Fleckchen Erde gefunden hat, auf dem man es gut hat, da soll man bleiben, solange es geht!
    »Ich will nicht weg von hier!«, protestiere ich. »Bitte, lass mich bei dir!«
    Aber Mama hat selber Angst. Sie befürchtet, dass ich hier erst recht in Gefahr bin, dass man mich von hier garantiert wegschicken würde und dass sie dann nicht den geringsten Einfluss darauf hätte, wo es hinginge.
    Es bleibt mir also wieder einmal nichts anderes übrig …

FAST WIE IM HIMMEL
    Ich muss auf direktem Wege in den Himmel geraten sein! – Jedenfalls kommt es mir hier so vor.
    »Bierz sobie, bierz!« 19 , sagt Bożena.
    Ich kaue auf beiden Backen und antworte etwas, das »dziękuję!«** heißen soll, aber mit vollem Mund nur Eingeweihten verständlich sein kann. Dabei fällt mir auf, dass ich mit allen Menschen nur noch Polnisch rede. Zwar hakt es manchmal noch ein bisschen, und manchmal fällt mir das richtige Wort nicht so schnell ein, aber hier reden wir so viel miteinander, dass sich das schnell geben wird.
    Wir sitzen zusammen am Frühstückstisch, die ganze Familie und ich, und Bożena ist diejenige, die immer sorgsam darauf achtet, dass ich auch ja genug esse. Sie ist die Schwester von Hanka, der Bäuerin, und ziemlich viel jünger: »Uralt, schon über zwanzig«, sagt sie, dabei ist sie kaum älter als Paweł und Danuta, die Kinder von Hanka und Piotr.
    »Wirklich nichts mehr? Keinen Haferbrei?«
    »Pappsatt!«, schnaufe ich.
    »Du isst wie ein Vögelchen!«
    »Wie ein Elefant!«, halte ich dagegen.
    Bożena lacht. »Aber höchstens ein Zwergelefant!« Sie steht auf und räumt das Geschirr ab.
    »Wie groß ist eigentlich ein Elefant?«, frage ich. Ich habe wirklich keine Ahnung.
    »Groß!«
    »So?« Ich breite meine Arme aus.
    Paweł lacht mich aus. »Ach was! Viel größer! Hast du noch nie einen gesehen?«
    Ich kann nur den Kopf schütteln. »Du etwa?«
    »Vor dem Krieg. Da war ein Zirkus nach Kutno gekommen und dort habe ich welche gesehen. – Die wären hier gar nicht in die Küche gegangen!«
    Ich staune wirklich. Die größten Tiere, die mir bisher begegnet sind, waren Pferde und Ochsen. Elefanten habe ich zwar schon einmal in einem Buch gesehen, aber eine richtige Vorstellung davon habe ich nicht.
    »Die möchte ich nicht auf die Weide führen müssen«, bekenne ich.
    Irgendwas daran ist wohl komisch, denn Bożena fallen die Messer, die sie eben abwaschen wollte, aus der Hand, weil sie sich vor Lachen nicht halten kann.
    »Das kann ich mir richtig vorstellen: Elefanten hier im Garten, und du mit’nem Stöckchen hinterher!« Ihr kommen die Tränen.
    Mir ist peinlich, dass ich offenbar etwas ziemlich Blödes gesagt habe.
    Paweł muss noch einen draufsetzen: »Und Danuta kann die dann abends melken!«
    Danuta streckt ihm die Zunge heraus.
     
    Besser ist es mir noch nie gegangen, jedenfalls nicht seit Kriegsende, nicht seitdem wir auf die Flucht gegangen sind. Und vorher in Waly? – Das ist so weit weg, dass ich mich nur mühsam erinnern kann. Fast ist es, als hätte ein anderer Mensch das erlebt. Bin ich da glücklicher gewesen? Vielleicht. Aber sicher bin ich mir nicht. Immerhin waren wir da eine richtige Familie, waren alle vereint, Mama, ich und die anderen fünf. Fünf Geschwister! Zwei sind noch hier, Huppe und Wolfi. Was wohl die anderen
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