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Kalte Wut

Kalte Wut

Titel: Kalte Wut
Autoren: Colin Forbes
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Chichester am Rand des Priels gegenüber dem hübschen Dorf Bosham. Dort gibt es ein wahres Labyrinth von Wasserläufen, die sich von der See aus landeinwärts erstrecken. Und sehen Sie hier – da ist noch ein Kreuz über München und ein weiteres über Passau. Und dann noch eins ein Stück nördlich von Passau, an der Grenze zur Tschechoslowakei.«
    »Zur Republik Tschechien, meinen Sie«, korrigierte Tweed. Er putzte sich mit dem Taschentuch die Brille und schaute genauer hin. »Dieses tschechische Kreuz steht wirklich in der Mitte von Nirgendwo, in einer sehr einsamen und unwirtlichen Gegend.«
    Paula richtete sich auf. Mit großer Sorgfalt legte sie die Stickerei wieder so zusammen, wie sie sie vorgefunden hatte.
    Dann sah sie Tweed an.
    »Etwas sagt mir, daß dies sehr wichtig ist. Jean war ausnehmend klug. Wenn sie strategisch wichtige Punkte markieren wollte, hätte es keinen besseren Ort gegeben, um sie zu verbergen, als in einer solchen Stickerei. In einer Schublade habe ich ein paar große Umschläge mit Pappunterseiten gesehen. Ich werde einen davon holen und die Stickerei hineinstecken, damit wir sie zum Park Crescent mitnehmen können. Ich nehme an, das wird Philip sehr interessieren.«
    »Vorausgesetzt, daß es uns gelingt, Philip zu finden«, bemerkte Tweed.
    Auf der Rückfahrt nach London war Paula ungewöhnlich schweigsam. Sie schaute nach vorn, ohne den Verkehr wahrzunehmen, und ihre behandschuhten Hände lagen fest ineinander verschränkt auf ihrem Schoß.
    »Wo wollen wir zuerst hin?« fragte sie schließlich.
    »Zu ihrer Wohnung. Die Tagebücher müssen dort sein. Ich glaube, sie könnten uns wertvolle Hinweise liefern. Mich interessiert vor allem die Firma, für die Jean gearbeitet hat – Reed & Roebuck. Aber vor allem möchte ich mit Philip reden und herausfinden, was er vorhat. Er ist seelisch nicht in der Verfassung, um sich auf die Suche nach Jeans Mördern zu machen – ganz zu schweigen von der grauenhaften Art, auf der sie gefoltert wurde.«
    »Mir ist gerade etwas eingefallen«, sagte Paula. »Vor ungefähr einem Jahr wäre Jean spätabends in der Fulham Road beinahe überfahren worden. Sie wurde nicht ernstlich verletzt, mußte aber ein paar Tage im Krankenhaus verbringen. Später hat Philip nur erzählt, daß sie, als er sie dort besuchte, eine merkwürdige Bemerkung gemacht hatte. Sie sagte: ›Wenn ich hier wieder heraus bin, werden wir ein normales Leben führen.‹ Das kam ihm sehr seltsam vor, aber dann hat er es wieder vergessen, weil er für uns alle Hände voll zu tun hatte.«
    »Das ist das erstemal, daß ich davon höre. Eine überaus seltsame Bemerkung …«
    Sie versanken wieder in Schweigen, und es war zehn Uhr abends, als Tweed hinter Newmans Wagen anhielt, der nach wie vor am Bordstein parkte. Er vergewisserte sich, daß die Straße menschenleer war, dann näherte er sich der Tür des Hauses, in dem Philip eine Wohnung hatte. Plötzlich ergriff er Paulas Arm und schob sie zurück.
    »Was ist?« flüsterte Paula.
    »Die Haustür ist offen«, erwiderte er, gleichfalls flüsternd.
    Er hatte die Waffe in der Hand, als er ein paar Schritte vorwärts tat. Mit der anderen Hand holte er eine Stablampe aus der Tasche und richtete sie auf die Tür. Dann schaltete er sie aus und musterte wieder die Straße.
    »Was haben Sie entdeckt?« fragte Paula.
    »Gewaltsames Eindringen. Jemand hat beide Schlösser mit einem Spezialwerkzeug geknackt – es hat Kratzspuren hinterlassen. Sie warten besser hier, bis ich mich in der Wohnung umgesehen habe. Ich hoffe nur, daß Philip da ist.«
    »Und daß ihm nichts passiert ist«, setzte Paula hinzu. »Und ich komme mit«, sagte sie entschlossen, mit ihrem Browning bereits in der Hand.
    »Ich befehle Ihnen, hierzubleiben.«
    Tweeds Ton war ungewöhnlich grob. Er betrat den von einem Kronleuchter erhellten Flur und lauschte. Er hatte ein sehr scharfes Gehör, aber in dem Haus herrschte eine Totenstille, die ihm nicht gefiel. Ein paar Schritte von Philips Wohnungstür entfernt blieb er abermals stehen. Die Tür stand einen Spaltbreit offen. Oh mein Gott, was werde ich da drinnen vorfinden? dachte er.
    Er stieß die Wohnungstür langsam auf. Sie bewegte sich lautlos auf gutgeölten Angeln. Entschieden zuviel Stille.
    Er schlug die Tür flach gegen die Wand für den Fall, daß sich jemand dahinter versteckte, dann schaltete er seine Stablampe ein.
    Nirgendwo brannte Licht, und der Strahl seiner Taschenlampe zeigte ihm, daß alle Türen offenstanden
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