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Kalte Spur

Kalte Spur

Titel: Kalte Spur
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fünf Grad fallen. Joe hörte ein Knacken, drehte sich langsam um und blickte zur Wiese zurück, auf der sie den Elch gefunden hatten. Er entdeckte nichts, spürte aber, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten.
    »Was war das, Dad?«, fragte Sheridan.
    Joe schüttelte den Kopf und lauschte.
    »Ich hab’s gehört«, sagte Lucy. »Es klang, als wäre jemand auf einen Ast oder Zweig getreten. Oder vielleicht hat er Kartoffelchips gegessen.«
    »Kartoffelchips«, spöttelte Sheridan. »Das ist doch dämlich.«
    »Ich bin nicht dämlich!«
    »Mädchen«, mahnte Joe und horchte immer noch in den Wald hinein. Doch bis auf das Rauschen des Windes in den Kronen der Kiefern herrschte absolute Ruhe. Er schauderte. Wie rasch sich die warme, einladende Atmosphäre in kalte, unheimliche Stille verwandelt hatte.

Zweites Kapitel
    Eine halbe Stunde vor Einbruch der Abenddämmerung erreichten sie ihr kleines Heim, eine zweigeschossige Dienstwohnung des Staates Wyoming, die knapp fünfzehn Kilometer außerhalb von Saddlestring lag. Joe bog mit dem Pick-up von der Bighorn Road auf die Einfahrt ein und parkte vor der Garage, die einen neuen Anstrich vertragen konnte. Sheridan und Lucy waren aus der Beifahrertür gesprungen, ehe er nur die Handbremse hatte ziehen können, und eilten über den Rasen ins Haus, um ihrer Mutter zu erzählen, was sie gesehen hatten.
    Maxine sprang ihnen nach, blieb aber an der Tür stehen, um sich nach Joe umzublicken.
    »Lauf schon«, sagte er. »Ich komm nach.«
    Fröhlich wedelnd stürmte der Labrador ins Haus.
    Nachdem Joe Angelruten, Westen und Kühltasche in der Garage verstaut hatte, ging er am Haus vorbei zur Koppel. Toby, ihr achtjähriger gescheckter Wallach, wieherte bei seinem Anblick leise. Er war offensichtlich hungrig. Doc, ihr neuer, einjähriger Rotfuchs, tat es dem älteren Pferd gleich. Joe scheuchte sie beiseite und betrat die Umzäunung. Er gab jedem Tier sein Heu frisch vom Trockengestell, füllte den Wassertrog, überprüfte beim Verlassen der Koppel das Tor und fragte sich unterdessen, warum Marybeth die Tiere nicht schon gefüttert hatte wie üblich.
    Als er die Hintertür des Hauses öffnete, kam Sheridan ihm schlecht gelaunt entgegen.
    »Hast du deiner Mom vom Elch erzählt?«, fragte er.
    »Die ist beschäftigt«, antwortete sie patzig. »Vielleicht hätte ich einen Termin mit ihr vereinbaren sollen.«

    »Sherry …«, mahnte er, doch seine Tochter war bereits auf dem Weg zur Koppel.
    Marybeth saß in Sweatshirt und Jeans am Küchentisch und war von Akten, Papierstapeln, aufgeschlagenen Büchern, dem Taschenrechner und ihrem Laptop umgeben. Auf beiden Seiten stapelten sich Aktenkisten, deren Deckel auf dem Boden lagen. Den Blick starr auf den Rechner gerichtet, würdigte sie Joe kaum eines Blicks, als er eintrat.
    »Hey, Babe!«Er strich ihr blondes Haar beiseite und küsste sie auf die Wange.
    »Einen Moment.« Sie tippte weiter.
    In Joe flammte Ärger auf. Herd und Ofen waren kalt, der Tisch war ein heilloses Durcheinander – genau wie Marybeth. Nicht dass er erwartete, jeden Abend pünktlich bekocht zu werden, doch sie hatte ihn gebeten, mit den Mädchen früh zum Essen nach Hause zu kommen, und er hatte seinen Teil der Verabredung erfüllt.
    »Fein«, verkündete sie und klappte den Laptop zu. »Fertig.«
    »Womit?«
    »Mit der Buchhaltung des Immobilienbüros Logue. Das war vielleicht ein Chaos!«
    »Aha.« Unbeeindruckt öffnete er den Kühlschrank, um nachzusehen, ob es etwas Vorgekochtes zum Aufwärmen gab. Nichts.
    »Dass die sich nach der Übernahme halten konnten!«, murmelte sie, während sie Bankberichte und geplatzte Schecks abheftete oder in Umschläge schob. »Die alten Eigentümer haben ihnen ein sagenhaftes Durcheinander hinterlassen. Der Cashflow der letzten zwölf Quartale war ein absolutes Mysterium.«
    »Mmm.«
    Nicht mal Aufbackpizzen waren im Gefrierschrank – nur
steinharte Rehfleisch-Burger, Wapitibraten vom Vorjahr und eine Packung Eis am Stiel, die schon seit einer Ewigkeit in der Kühlung lag.
    »Ich dachte, wir gehen heute Abend essen«, sagte Marybeth. »Oder einer fährt in die Stadt und holt was Warmes.«
    Er staunte. »Können wir uns das denn leisten?«
    Marybeths Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. »Eigentlich nicht«, seufzte sie. »Jedenfalls nicht bis Monatsende.«
    »Wir könnten diese Burger in der Mikrowelle auftauen«, schlug Joe vor.
    »Würde es dir was ausmachen, sie draußen zu grillen?«
    »Geht in
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