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Kalix - Die Werwölfin von London

Kalix - Die Werwölfin von London

Titel: Kalix - Die Werwölfin von London
Autoren: Martin Millar
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Menschen erinnerten sich noch an Laudanum. Es war aus der Welt fast verschwunden. Aber für ein paar Werwölfe, die ebenso herunterge
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    kommen waren wie Kalix, war es noch zu bekommen. Ihrer Familie machte Kalix damit noch größere Schande.
    Hinter der nächsten Ecke erklangen Schritte. Kalix spannte ihren Körper an, obwohl sie wusste, dass es nicht die Jäger waren. Nur zwei junge Männer, die um Mitternacht nach Hause gingen. Sobald sie Kalix sahen, steuerten sie auf sie zu, um sie aufzuhalten. Kalix versuchte, ihnen auszuweichen, aber die beiden gingen schnell zur Seite, um sie abzufangen.

    »He, Bohnenstange«, sagte einer der Männer, und beide lachten.
    Kalix betrachtete sie voller Abscheu. Es machte sie wütend, dass betrunkene Menschenmänner immer versuchen mussten, sie anzusprechen.
    »So ganz allein auf dem Heimweg?«
    Kalix hatte keine Zeit zu verlieren. Sie musste ihr Lagerhaus finden, bevor sie vor Erschöpfung zusammenbrach. Sie knurrte. Selbst in menschlicher Gestalt war Kalix' Knurren furchterregend, es klang so wölfisch und bedrohlich, dass es unmöglich von einem so mageren Wesen kommen konnte. Die jungen Männer erschraken bei dem grimmigen Geräusch, sprangen zur Seite und sahen Kalix mit mulmigem Gefühl an, als sie an ihnen vorbeilief.
    »Freak«, murmelten sie, aber leise, und gingen ihrer Wege.
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    Nach sechzig Jahren in England und fast ebenso vielen in der Modebranche hatte Thrix, die Werwolfzauberin, ihren schottischen Akzent weitgehend verloren. Er klang nur noch durch, wenn sie vor Wut laut wurde. Aber dieser Verlust störte Thrix nicht. Er schuf eine größere Distanz zwischen ihr und ihrer Familie, und das war ihr nur recht. Schon beim Gedanken an ihren Vater, den Fürs
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    ten, der in der abgelegenen Wildnis Schottlands durch die Ländereien seiner Burg streifte, schürzte sie verächtlich die Lippen.
    Thrix hatte zwar nichts dagegen, eine Werwölfin zu sein, zudem ein Mitglied der herrschenden MacRinnalch-Familie, aber sie gab sich nicht gerne mit anderen ihrer Art ab. Sie bedeuteten nur Scherereien. Thrix ging der Boshaftigkeit ihrer Onkel, den Ränken ihrer Mutter, den Intrigen ihrer Brüder aus dem Weg. Der MacRinnalch-Werwolfclan konnte sich selbst zerfleischen, solange er sie nur in Ruhe ließ.
    Von allen schottischen Werwölfen war Thrix einzigartig. Sie war blond, schön, besaß ein Modehaus und war eine mächtige Zauberin. Kein anderer Werwolf konnte das alles von sich behaupten. Schon ihre prächtige blonde Mähne hatte sie immer vom Rest des Clans abgehoben. Das machte sie eitel, was ihr durchaus klar war.
    Ein riesiger Spiegel bedeckte die Wand neben Thrix' Schreibtisch. Sie betrachtete ihr Spiegelbild, während sie telefonierte.
    »Cassandra, was machst du denn in Portugal? Du weißt doch, dass ich dich hier für die Aufnahmen brauche.«
    Thrix hörte zu, während das Model eine umständliche Geschichte über verpasste Flugzeuge und unzuverlässige Fotografen erzählte.
    »Na gut, Cassandra«, unterbrach sie. »Hört sich alles schrecklich an. Und jetzt komm zurück nach London. Dein Ticket wartet am Flughafen auf dich.«
    Thrix legte das Telefon hin. Models. Gut organisiert waren sie nicht gerade, fand Thrix, aber im Großen und Ganzen mochte sie Models. Natürlich nicht so sehr, wie sie Kleider mochte. Wie die Werwolfzauberin so versessen auf Mode sein konnte, hatte ihre Familie nie verstanden.
    Thrix las die Nachricht auf ihrem Schreibtisch. Ihre Mutter hatte angerufen.
    Warum? Verasa erwartete doch wohl nicht, das Thrix sie besuchte. Thrix war erst vor sechs Monaten auf Burg MacRin
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    nalch gewesen, und ihre Mutter wusste, dass sie nie öfter als einmal im Jahr zu Besuch kam.
    Die Werwolfzauberin betrachtete sich im Spiegel. Man hätte sie auf dreißig geschätzt, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger. Tatsächlich war sie fast achtzig Jahre alt. Ihr jugendliches Aussehen kam nicht von der Zauberei. Die MacRinnalchs waren sehr langlebig, und achtzig war für einen Werwolf noch jung. Thrix genoss ihr Leben. Ihr Modehaus wurde immer angesehener. Wenn alles nach Plan lief, würde sie eines Tages zu den ganz Großen in der europäischen Modeszene gehören.
    Was ihre Mutter wohl wollte? Thrix seufzte. Sie konnte noch so sehr versuchen, sich vom Clan zu distanzieren; Verasa, die Herrin der Werwölfe, würde nie zugeben, dass sie weg war. Ihr kam ein beunruhigender Gedanke. Ging es vielleicht um Kalix? Eine Zeit lang hatte Verasa ständig wegen Kalix
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