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Kaiser des Mars

Kaiser des Mars

Titel: Kaiser des Mars
Autoren: Lin Carter
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gemächlich, bis wir ein gutes Stück über Europa standen. Ich schaltete meinen Bildschirm ein und sah zu, wie die Schweiz unter uns hinwegzog und dann Deutschland. Selbst aus dieser Höhe konnte man die Lichter von München und Frankfurt sehen, aber Neu-Berlin stand unter dichten Industriegasen. Etwas wie Tränen trat mir in die Augen, und ich gab mir Mühe, sie zu unterdrücken. Dies war wahrscheinlich das letzte Mal, daß ich das Land meiner Geburt sehen würde. Selbst in den Jahren meiner Wanderungen war ich nicht nach Hause zurückgekehrt, weil man mir nach meinem Prozeß klargemacht hatte, daß ich in Deutschland nicht einmal als Tourist willkommen sein würde. Ich erinnerte mich: Ein Berliner war Koordinator der Assoziierten Nationen gewesen, als ich meinen Kreuzzug oder meine Rebellion, oder wie man es sonst nennen wollte, begonnen hatte. Die Tatsache, daß ich, der Erzverräter, ein Landsmann von ihm gewesen war, war der Ruin seiner politischen Ambitionen gewesen und hatte dafür gesorgt, daß seine Partei bei den Wahlen zahlreiche Sitze verlor. Meine Heimat nahm mir das übel; wäre ich nach Hause zurückgekehrt, hätte es vielleicht einen »Unfall« geben können.
    Der Doc wählte die übliche Touristenroute zum Mond, bog aber ein paar Stunden später auf eine Seitenbahn ab, als wir uns unserem Ziel näherten. Ich döste und bemerkte es nicht, aber er folgte der Route zur dunklen Seite des Mondes, und als wir dann in der Nähe des Terminators abbremsten, wachte ich davon auf. Ich drehte an den Abstimmknöpfen meines Fernsehers herum, bis ich die alte Icarus auf dem Schirm hatte, eine schwarze Masse, die die Sterne verdeckte und abgesehen von den Orbitlichtern unsichtbar blieb. Das plumpe Profil der Icarus war nicht zu verkennen. Das da vorne war die Kontrollkanzel – die Silhouette sah aus wie ein Delphin. Wir paßten die Flugbahnen an; der Frachtraum öffnete sich, und wir senkten uns auf einen der beiden Landeschlitten, öffneten unsere Dichtungen, als die Türen wieder geschlossen waren, und kletterten etwas steif aus den Sitzen.
    Der Doc war jetzt, da die größte Gefahr vorüber war, die Freundlichkeit selbst.
    »So, mein junger Freund. Abgesehen von Ihnen haben wir jetzt alle einige Pflichten. Gestatten Sie mir also, Sie zu Ihrer Kabine zu führen, und verzeihen Sie mir, wenn ich Sie dort eine Weile sich selbst überlasse. Haben Sie schon zu Abend gegessen?« Das hatte ich nicht; erst seine Bemerkung erinnerte mich an den Bärenhunger, den ich hatte. »Ausgezeichnet! Sie finden einen Autokoch in Ihrem Raum. Machen Sie es sich dort bitte bequem und fühlen Sie sich wie zu Hause. Es wird eine Weile dauern, bis wir das Orbit verlassen – etwa eine Stunde vor dem Erdlicht. Falls Sie sich schon vorher zur Ruhe begeben, sollten Sie daran denken, sich anzuschnallen. Morgen werden wir alle gemeinsam frühstücken. Bis dann also …«
    Die Kabine war etwas klein, verfügte aber über eine eigene Frischekammer, und der Autokoch produzierte ein ziemlich gutes Steak und überraschte mich mit seinem argentinischen Kaffee. Ich verstaute meine wenigen Habseligkeiten im Wandschrank und überlegte, wie ich wohl zu neuer Kleidung kommen würde. Aber auch hier hatte mein Gastgeber vorgesorgt, und ich fand frische Wäsche in meiner Größe und einige der einteiligen, mit Reißverschlüssen versehenen Overalls, die die Astronauten als Anzugfutter bezeichnen. Ich badete, aß zu Abend und legte mich schlafen.
    Mein letzter zusammenhängender Gedanke vor dem Einschlafen war ein nagendes Gefühl der Schuld. Trotz allem, was der Doktor gesagt hatte, wußte ich, daß Ilionis nur ein Märchen war. Es gab keine verschwundene Schatzstadt, und es gab auch keinen verschwundenen Schatz. Ich wußte dies ohne jeden Zweifel … ich, der ich mehr vom Mars und seinen Menschen wußte, als jeder andere Mann meiner Welt je wissen würde. Eine Weile würde ich diese Wahrheit für mich behalten können. Aber am Ende würde sie ans Tageslicht kommen; dann nämlich, wenn wir den Ort erreichten und nichts dort vorfanden außer leeren Schluchten.
     

 
3. Landung
     
    Es gibt im Leben nichts Langweiligeres und Geisttötenderes als eine Reise durch den Weltraum, besonders eine solche von einiger Dauer. Im Vergleich dazu ist ein Stratoflug von irgendeinem Punkt zu irgendeinem anderen Punkt geradezu faszinierend, weil man wenigstens Wolken und eine Landschaft unter sich hat, die man sich ansehen kann. Und eine altmodische Seereise muß geradezu
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