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Kaiser des Mars

Kaiser des Mars

Titel: Kaiser des Mars
Autoren: Lin Carter
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mein Freund. Ich habe ebensoviel wie Sie zu verlieren, falls dieses Vorhaben scheitern sollte.«
    Ich kaute noch eine Weile darauf herum, aber es schmeckte gut. Trotzdem …
    »Ihr Schauspieler sieht verdammt gut aus, das räume ich ein. Ich glaube Ihnen auch, daß er jeden Verkäufer oder Gondoliere täuscht, der mich gerade gut genug kennt, um Bon Giorno zu sagen. Aber es ist nicht gut genug, um jemanden zu täuschen, der mich jeden Tag sieht und mit mir spricht, und davon gibt es eine ganze Menge: der Junge, der mir jeden Morgen meine New-York-Times-Post-News bringt; die alte Frau auf dem Mark, die mir Brötchen und Wurst verkauft; meine Vermieterin; oder der Kellner, der mir jeden Nachmittag meinen Brandy bringt …«
    »Wahrscheinlich nicht. Aber das wird auch nicht nötig sein. Sie werden heute abend schreckliche Zahnschmerzen bekommen. Sie werden sich den Kiefer verbinden und sich die meiste Zeit im Bett aufhalten; der Straßenjunge, der Ihnen Ihre Zeitung bringt, wird für Sie Botengänge erledigen und dabei verbreiten, daß Sie krank sind. Wirklich, Bürger Tengren, Sie müssen mir vertrauen. Ich habe alles vorhergesehen.«
    »Nicht ganz. Es gibt ein paar Dinge, von denen ich mich nicht trennen möchte, und wenigstens einen Gegenstand, den ich auf dem Mars brauchen werde …«
    Ich hielt inne, als er wieder jenes heiligmäßige Lächeln lächelte und wieder in seinen Aktenkoffer griff und genau jene meiner wenigen Habseligkeiten zum Vorschein brachte, die ich nicht zurücklassen wollte. Es war nicht viel: eine abgewetzte Kopie von Dowson, eine alte Loeb-Ausgabe von Quintus Smyrnaeus, die noch aus der Zeit vor den Unruhen stammte, und der antike Tauchnitz Shakespeare, die ich seit meiner Schulzeit überallhin mit mir trug. Ich betastete diese Dinge geistesabwesend: das Tiefenfoto meiner Mutter, meines Vaters und meines Bruders und die kleine Portraitbüste von Yakla, die der alte Zauberer an jenem Zehntag aus Slidar-Elfenbein für mich geschnitzt hatte, als wir uns in den Ruinen von Ygnarh vor den KA-Gleitern versteckten.
    Und die Krone selbst natürlich.
    Ich wickelte sie nicht aus dem Millionen Jahre alten Yonka aus. Ein Jamad Tengru zeigt die heiligen Dinge nicht vor den Augen von Außenweltlern. Aber meine Finger kannten die Wölbungen der alten, abgegriffenen, eisernen Ringe und die Fassungen der neunseitigen Gedankenkristalle.
    Mir vorzustellen, daß ich sie wieder in Gegenwart des Volkes tragen würde … den die Hügel erschütternden Schrei der Hai-yaa hören … die Kriegshorde gegen die Verhaßten führen würde … und vielleicht dieses Mal zum Siege führen! Wenn ich ja sagte.
    Also sagte ich ja.
     
    Während der Doktor seine Rechnung beglich und Bolgov das Gepäck in den Frachtschacht beförderte, fuhren das Mädchen und ich mit dem Lift zum Dach. Dem Himmel sei für das Zeitalter der Automation gedankt: der Lift war ein Automat, und der einzige Parkwächter auf dem Dach war ein Kameraauge. Das Mädchen stellte sich davor, als wir ins Freie traten.
    Wir gingen schnell an den geparkten Wagen vorbei, ohne miteinander zu reden. Der Geruch von aufgeheiztem Teer, Schmieröl, heißem Metall und Gummi lag in der Luft. Über allem lastete der Gestank von Venedig selbst, eine endlose Symphonie von Gerüchen, in der der Dunst von verfaulendem Abfall und der Gestank von brackigem Wasser dominierte.
    Die ersten Sterne standen am Himmel. Sie schimmerten stumpf und wirkten weder überzeugend noch echt. Sie sahen eher aus wie verblaßte Sterne aus Silberfolie, die man an die Kuppeldecke einer heruntergekommenen Tanzhalle geheftet hat. Unter dieser Imitation von Himmel gingen wir über das Dach und fanden den Lanzetti des Doktors. Im nächsten Augenblick hatte ich mich auf den Rücksitz verfrachtet, wo niemand mich sehen konnte, und die Hinterfenster abgedunkelt. Das Gepäck polterte in den Kofferraum, und kurz darauf stiegen meine Begleiter ein und dichteten die Türen ab. Der Doktor nahm Verbindung mit der Verkehrszentrale auf, stieg steil in die Höhe und mischte sich in den Verkehrsstrom. Er wählte einen Leitstrahl, der uns in fünftausend Fuß Höhe in die allgemeine Richtung von Neapel bringen würde; als dann aber der Verkehr dünner geworden war, bog er in eine Lokaletage und folgte unauffällig einem Nordkurs, bis er die Abzweigung nach Strato 104 bekam. Von nun an konnten wir uns entspannen, aber er achtete sorgsam darauf, die Geschwindigkeits- und Höhenbeschränkungen einzuhalten.
    So stiegen wir
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