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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition)
Autoren: Christian Gallo
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riskant fuhr. Aber Fakt war, er kam zu spät. Glasgow lag noch immer etliche Kilometer entfernt. Eigentlich utopisch, rechtzeitig dort anzulangen. Corey seufzte. Es war der erste Auftritt der Kunstflieger diesen Sommer, die Tribünen würden voll sein. Es versprach, spektakulär zu werden, doch ihnen drohte, es zu verpassen. Und das nur wegen Nazma, ihrer Unschlüssigkeit, ob sie mitkommen sollte oder nicht. Insgeheim hatte Corey gehofft, sie würde auf dem Campus bleiben. Nicht lange, und alles war gekommen wie immer: es gab Streit.
    „Wir müssen!“, schrie er, kurz über die Schulter blickend, zurück.
    „Halt an!“
    Er wußte, seine Masche aus Beschwichtigen und Aussitzen zog nicht. Es war noch nie eine gute Methode gewesen, aber Corey beherrschte nur die eine. Woanders vielleicht, in einer weniger leidigen Situation mochte sie greifen, hier nicht. Wie fast immer, um Deeskalation bemüht, gab er nach. Was sollte er machen, Nazma absetzen? Sie am verwilderten Fahrbahnrand stehen lassen und zusehen, wie ihre Gestalt im Rückspiegel schrumpfte, bis sie verschwunden war? Corey dachte darüber nach. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er solch ein Bild für grundfalsch gefunden. Jetzt erschien es ihm mit einem Mal nicht mehr als das; es schien ihm irgendwie richtig.
    Nein. Dies wäre das Ende.
    Er wollte noch nicht, daß es zu Ende ging. Er wußte selbst nicht, warum. Alte Gewohnheiten vermutlich. Zu lange gehegte Rituale, Methoden, die Macht des Alltages, diese Leier. Er haßte diese Denkweise des Beharrens, aber kam einfach nicht aus sich heraus.
    Also nahm er stumm fluchend Gas weg und lenkte auf den Seitenstreifen. Kies knirschte unter den Reifen und spritzte davon. Der Pendlerbus zog hupend vorbei. Corey achtete nicht darauf. Wichtig waren für ihn seine Freunde, die ihn am Flugplatz erwarteten, und natürlich die Show. Und Nazma war ihm wichtig. Ihm war wichtig, daß sie sich beruhigte, damit er weiterfahren konnte. Er bremste weiter ab und stoppte das Motorrad schließlich an der rostfleckigen, von Wildwuchs überrankten Leitplanke. Er wappnete sich. Atmete einmal tief die Luft ein und ließ sie langsam wieder entweichen. Dann nahm er den Helm ab. Auf einmal war die Luft erfüllt vom Straßenlärm. „Schon gut“, sagte er nur, den Blick nach vorn gerichtet.
    Sie sprang ab. Er, bestrebt, sie zu besänftigen, griff nach ihr, sie aber tat einen Sprung weg von ihm, dann einen kleinen Schritt auf ihn zu. Mit einer energischen Geste ließ sie das Visier hochschnellen. Ihr Blick bohrte sich in seinen.
    Corey las in ihren Augen eindeutig Feindseligkeit. „Was?“ Sein Tonfall war dringlich, aber ohne Aggression.
    Anders Nazmas. „Ich gehe! Zu Fuß!“ Sie riß sich den Helm vom Kopf und warf ihn Corey zu.
    „Warte...“
    „Nein! Es reicht.“
    „Jetzt flipp nicht gleich aus...“
    „Und zwar endgültig!“
    „Du...“
    „Ich werde mich nicht wieder auf dieses Teil setzen.“
    „Aber...“
    „Nein. Ich habe dich gebeten, langsamer zu fahren, hundert Mal, doch du hast nicht gehört, und jetzt ist es zu spät. Ich gehe.“ Sie tat es.
    Corey prüfte seine Optionen. Sie gehen lassen, war die eine, ihr folgen, die andere. Leise stöhnend fuhr er an zu ihr. „Jetzt komm schon. Bitte.“
    Sie blieb nicht stehen. Ihre Augen blitzten.
    Immerhin schreit sie nicht mehr, sagte er sich. „Hey. Die Flugshow ... Man erwartet uns.“
    „Dann fahr. Fahr.“ Sie ging weiter.
    „Ich hab’ mich doch entschuldigt.“
    „Hast du nicht!“
    Er zögerte. „Was hast du jetzt vor?“
    „Mir einen Schlitten rufen.“
    (Ein Schlitten – oder Funkschlitten – war ein Robotvehikel, das einen gegen Geld überallhin brachte.)
    „Zurück nach Edinburgh?“
    Sie schüttelte schon mitleidig den Kopf. „Was ist so schlimm daran, wenn ich gehe?“
    „Was schlimm daran ist?“
    „Es ist nur eine scheiß Flugshow! Ich muß das nicht sehen.“ Sie schob ihren rechten Ärmel hoch und benutzte ihr Pad.
    „Aber ich dachte, du willst hin...“
    „Wollte ich auch. Dir zuliebe. Jetzt nicht mehr.“ Sie bediente weiter ihr Pad.
    Dann stand er vor ihr. Sie sah noch immer nicht auf. „Schlitten sind teuer“, sagte er nur.
    „Sie sind sicher.“
    „Was regst du dich auf? Ist je was passiert?“
    Sie hob einen Finger. „O richtig. Du beherrschst es. Du kannst fahren.“ Sie verzog das Gesicht. „Hör schon auf, das ist so abgeschmackt.“
    „Du machst dich über mich lustig.“
    „Sicher nicht.“
    „Du willst, daß ich
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