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Kain

Kain

Titel: Kain
Autoren: José Saramago
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Stimme, sondern er erschien auch selbst. So lange hatte er nichts von sich hören lassen, und nun war er da, gekleidet wie an dem Tag, als er die unglücklichen Eltern der beiden aus dem Garten Eden vertrieben hatte. Auf dem Kopf die dreifache Krone, in der rechten Hand das Zepter, von Kopf bis Fuß in ein Gewand aus kostbarem Stoff gehüllt. Was hast du mit deinem Bruder gemacht, fragte er, aber Kain antwortete ihm mit einer Gegenfrage, Bin ich etwa der Leibwächter meines Bruders, Du hast ihn getötet, So ist es, doch die Hauptschuld hast du, ich hätte mein Leben für sein Leben gegeben, wenn du nicht das meine zerstört hättest, Ich wollte dich auf die Probe stellen, Wer bist du denn, dass du den auf die Probe stellen willst, den du selbst erschaffen hast, Ich bin der unumschränkte Herr über alle Dinge, Und über alle Lebewesen, willst du sagen, aber nicht über mich und meine Freiheit, Die Freiheit zu töten, So wie du frei warst zuzulassen, dass ich Abel töte, als es in deiner Hand lag, dies zu verhindern, du hättest nur für einen Augenblick den Stolz auf deine Unfehlbarkeit, den du mit allen anderen Göttern gemeinsam hast, ablegen brauchen, hättest nur für einen Moment wirklich barmherzig sein und meine Opfergabe demütig annehmen brauchen, hättest das Opfer einfach nicht ablehnen dürfen, die Götter, du genauso wie alle anderen, ihr habt Pflichten gegenüber denen, die ihr erschaffen habt, wie ihr sagt, Diese Rede ist aufrührerisch, Das mag sein, aber ich garantiere dir, wäre ich Gott, würde ich jeden Tag sagen, Gesegnet seien, die den Aufruhr wählten, denn ihrer wird das Reich sein auf Erden, Frevel, Mag sein, aber jedenfalls nicht größer als deiner, der du zugelassen hast, dass Abel stirbt, Du hast ihn getötet, Ja, das stimmt, ich war der ausführende Arm, aber das Urteil hast du gesprochen, Das Blut hier habe nicht ich vergossen, Kain hätte sich zwischen Gut und Böse entscheiden können, wenn er sich für das Böse entschieden hat, wird er dafür büßen, Wer in den Weinberg geht, ist genauso ein Dieb wie der, der Wache schiebt, sagte Kain, Und dieses Blut will gerächt werden, sagte Gott erneut, Wenn es so ist, wirst du dich für einen realen Tod rächen und zugleich für einen, der nicht stattgefunden hat, Drück dich deutlicher aus, Was du nun hören wirst, wird dir nicht gefallen, Das soll dich nicht kümmern, sprich, Es ist einfach, ich habe Abel getötet, weil ich dich nicht töten konnte, doch meiner Absicht nach bist du tot, Ich verstehe, was du sagen willst, aber Göttern ist der Tod verwehrt, Ja, obwohl sie alle Verbrechen auf sich nehmen müssten, die in ihrem Namen oder ihretwegen verübt wurden, Gott ist unschuldig, alles wäre genau so, wenn es ihn nicht gäbe, Aber ich kann, weil ich getötet habe, von jedem, der mich findet, getötet werden, Nein, so wird es nicht sein, ich schließe mit dir ein Bündnis, Ein Bündnis mit dem Verstoßenen, fragte Kain, denn er traute seinen Ohren kaum, Sagen wir, ein Abkommen gemeinsamer Verantwortung für Abels Tod, Du erkennst also deine Teilschuld an, Ja, aber sag es nicht weiter, es bleibt ein Geheimnis zwischen Gott und Kain, Das ist nicht wahr, ich glaube, ich träume, Mit Göttern geht es einem oft so, Weil, wie es heißt, eure Absichten unergründlich sind, fragte Kain, Diese Worte hat kein mir bekannter Gott je ausgesprochen, wir kämen niemals auf die Idee zu sagen, dass unsere Absichten unergründlich sind, das haben sich Menschen ausgedacht, die sich einbilden, sie stünden mit der Gottheit auf Du und Du, Dann werde ich für meine Tat also nicht bestraft, fragte Kain, Meine Mitschuld spricht dich nicht von deiner Schuld frei, du wirst deine Strafe bekommen, Welche, Du wirst unstet auf Erden umherirren, Dann wird mich jeder töten können, Nein, denn ich werde dir ein Zeichen auf die Stirn drücken, niemand wird dir etwas zuleide tun, doch als Gegenleistung für mein Wohlwollen bemühe du dich, niemandem etwas zuleide zu tun, sagte der Herr und legte den Zeigefinger auf Kains Stirn, worauf sich dort ein kleiner schwarzer Fleck bildete, Dies ist das Zeichen deiner Verdammnis, aber auch das Zeichen, dass du dein Leben lang unter meinem Schutz und meiner Aufsicht stehst, ich werde dich überwachen, wo immer du dich befindest, Ich bin einverstanden, sagte Kain, Du hättest gar keine Wahl, Wann beginnt meine Bestrafung, Ab sofort, Kann ich mich von meinen Eltern verabschieden, Das ist deine Sache, in Familienangelegenheiten mische
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