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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone
Autoren: Arnaldur Indridason
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einige, die in Frage gekommen wären. Erst viel, viel später habe ich die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass ein Isländer, einer von meinen Freunden, dahinter steckte.«
    Er sah Emíl in die Augen.
    »Ich war so idiotisch zu glauben, dass wir Freunde wären«, sagte er leise. »Wir waren doch noch so jung, wir waren beide gerade erst zwanzig.«
    Er drehte sich um und wollte gehen.
    »Ilona war eine verdammte Schlampe«, ließ Emíl sich verächtlich hinter ihm vernehmen.
    In dem Augenblick, als er das hörte, fiel sein Blick auf eine Schaufel, die an einer alten, verstaubten Kommode lehnte. Er packte sie, drehte sich blitzschnell um und ließ unter Aufbietung aller seiner Kräfte die Schaufel mit einem Schrei auf Emíl niedergehen. Sie traf ihn an der Schläfe, und er sah, wie die Augen erloschen. Emíl sackte zusammen.
    Er stand da und starrte auf den leblosen Körper herunter. Er schien sich in einer anderen Welt zu befinden. Ihm fiel ein längst vergessener Ausspruch ein:
    Am besten schlägt man sie mit einer Schaufel tot.
    Eine dunkle Blutlache bildete sich auf dem Fußboden. Ihm war sofort klar, dass er Emíl getötet hatte, aber es regte sich keinerlei Reue in ihm. Er stand bewegungslos und ungerührt da und betrachtete Emíl auf dem Boden, während sich die Blutlache vergrößerte. Er war nur ein Zuschauer, den nichts etwas anzugehen schien. Er war nicht in diesen Schuppen gekommen, um zu töten. Er hatte sich nicht vorgenommen, einen Mord zu begehen. Das war geschehen, ohne dass er es auch nur für einen Sekundenbruchteil geplant hatte.
    Er wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, als er plötzlich bemerkte, dass jemand neben ihm stand. Jemand, der ihn berührte und ihm einen leichten Schlag auf die Wange versetzte und etwas sagte, was er nicht hörte. Er blickte den Mann an, erkannte ihn jedoch nicht gleich. Er sah, wie er sich über Emíl beugte und ihm die Finger an den Hals legte, um den Puls zu fühlen. Er wusste, dass es hoffnungslos war. Er wusste, dass Emíl tot war. Er hatte Emíl umgebracht.
    Der Mann richtete sich wieder auf und wandte sich zu ihm um. Jetzt erkannte er, wer es war. Diesem Mann war er durch die Straßen von Reykjavík gefolgt, und er hatte ihn zu Emíl geführt.
    Es war Lothar.

Vierunddreißig
    Karl Antonsson war zu Hause, als Elínborg an seiner Tür klingelte. Seine Neugierde war sofort geweckt, als sie ihm sagte, dass sie im Zusammenhang mit dem Skelettfund auf dem Grund des Kleifarvatn gekommen sei, weil sie sich mit den Isländern unterhalten mussten, die in Leipzig studiert hatten. Er ging unverzüglich mit Elínborg ins Wohnzimmer. Er und seine Frau hatten vorgehabt, eine Runde Golf zu spielen, aber das hatte keine Eile.
    Morgens hatte Elínborg mit Sigurður Óli telefoniert und sich erkundigt, wie es Bergþóra ginge. Er sagte, alles liefe nach Wunsch.
    »Und dieser Mann, hat er aufgehört, dich nachts anzurufen?«, fragte sie.
    »Er meldet sich immer noch ab und zu.«
    »Hat er nicht mit Selbstmordgedanken gespielt?«
    »Ja, und ob«, sagte Sigurður Óli und erklärte, dass Erlendur ihn erwartete. Sie wollten zu Haraldur im Altersheim, weil Erlendur auf diesen verschollenen Leopold fixiert war. Zu Erlendurs großem Ärger war dem Antrag auf eine Durchsuchung des Hofgeländes nicht stattgegeben worden.
    Karl wohnte am Reynimelur in einem schönen Dreiparteienhaus mit gepflegtem Garten. Seine Frau Ulrike war Deutsche, sie stammte aus Leipzig. Sie schüttelte Elínborg mit festem Druck die Hand. Das Ehepaar hatte sich gut gehalten, beide machten den Eindruck, als ob ihnen das Alter nichts anhaben könnte. Vielleicht liegt das am Golfspielen, dachte Elínborg. Sie waren sehr erstaunt über diesen unerwarteten Besuch und blickten einander verständnislos an, als sich herausstellte, um was es ging.
    »Ist dann der, den ihr im See gefunden habt, einer von den isländischen Studenten in Leipzig?«, fragte Karl. Ulrike ging in die Küche, um Kaffee zu kochen.
    »Das wissen wir nicht«, sagte Elínborg. »Kannst du dich, oder könnt ihr euch, an einen Mann in Leipzig erinnern, der Lothar hieß, Lothar Weiser?«
    Karl schaute seine Frau an, die in der Tür stand.
    »Sie fragt nach Lothar«, sagte er.
    »Lothar? Was ist mit ihm?«, fragte sie.
    »Sie glauben, dass er da im See gelegen hat.«
    »Das stimmt nicht ganz«, sagte Elínborg und lächelte die Frau an. »Wir wissen es nicht.«
    »Er hat seinerzeit Geld von uns bekommen, um uns die Wege zu ebnen«, sagte
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