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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone
Autoren: Arnaldur Indridason
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Ulrike.
    »Die Wege zu ebnen?«, fragte Elínborg erstaunt.
    »Damit Ulrike mit mir nach Island gehen konnte«, sagte Karl. »Er hatte Einfluss und konnte uns behilflich sein. Aber es hat was gekostet. Meine Eltern haben Geld zusammengekratzt, und natürlich auch Ulrikes Eltern in Leipzig.«
    »Und Lothar hat euch geholfen?«
    »Sehr«, sagte Karl. »Er hat dafür kassiert, insofern kann man es vielleicht nicht direkt als Nettigkeit bezeichnen. Ich glaube, dass er auch noch anderen geholfen hat, nicht nur uns.«
    »Und Geld allein hat ausgereicht?«, fragte Elínborg.
    Karl und Ulrike schauten einander an, und Ulrike ging in die Küche.
    »Er sprach davon, dass man vielleicht später Kontakt mit uns aufnehmen würde, verstehst du. Aber das ist nicht geschehen, und was uns betrifft, es wäre auch nie in Frage gekommen. Niemals. Ich habe nichts mehr mit der Partei zu tun gehabt, nachdem wir nach Island zurückgekehrt waren. Ich bin nie zu Versammlungen oder dergleichen gegangen. Ich habe mich völlig aus der Politik zurückgezogen. Ulrike ist nie politisch gewesen, sie war schon immer allergisch dagegen.«
    »Meinst du damit, dass man später möglicherweise irgendetwas von euch verlangt hätte?«, fragte Elínborg.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte Karl, »Es ist nie dazu gekommen. Lothar haben wir nie wieder gesehen. Wenn man an diese Zeiten zurückdenkt, möchte man manchmal gar nicht glauben, was man da erlebt hat. Das war eine vollkommen andere Welt.«
    »Die Isländer haben das den ›Krampf‹ genannt«, sagte Ulrike, die wieder ins Wohnzimmer gekommen war. »Ich fand, dass das hundertprozentig passte. Das war ein einziger Krampf.«
    »Habt ihr noch irgendwelchen Kontakt zu den ehemaligen Kommilitonen?«, fragte Elínborg.
    »Nur ganz wenig«, sagte Karl. »Man trifft sich natürlich ab und zu auf der Straße oder bei Geburtstagen.«
    »Einer von ihnen hieß Emíl«, sagte Elínborg. »Wisst ihr etwas über ihn?«
    »Soweit ich weiß, ist er nie nach Island zurückgekehrt«, entgegnete Karl. »Er ist in der DDR geblieben. Ich habe ihn nie wieder gesehen … Lebt er noch?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Elínborg.
    »Ich mochte ihn nie«, sagte Ulrike. »Er war ein unangenehmer Typ.«
    »Emíl war immer ein ziemlicher Eigenbrötler. Er kannte nur wenige, und wenige kannten ihn. Es hieß aber, dass er willfährig war. Davon habe ich aber nichts mitbekommen.«
    »Und ihr wisst sonst nichts über diesen Lothar?«
    »Nein, gar nichts«, erwiderte Karl.
    »Besitzt du vielleicht Fotos von den Studenten in Leipzig?«, fragte Elínborg. »Von Lothar Weiser oder den anderen?«
    »Nein, nicht von Lothar, und ganz bestimmt nicht von Emíl«, sagte er. »Aber ich habe ein Bild von Tómas und seiner Freundin, Ilona hieß sie. Sie war Ungarin.«
    Karl stand auf und ging zu einem großen Schrank, der im Wohnzimmer stand. Er holte ein altes Fotoalbum hervor und blätterte darin, bis er ein Foto fand, das er Elínborg reichte. Es war ein Schwarzweißfoto und zeigte ein junges Paar, das sich an der Hand hielt. Die Sonne schien, und sie lachten in die Kamera.
    »Das Bild wurde vor der Thomaskirche gemacht«, sagte Karl. »Ein paar Monate bevor Ilona verschwand.«
    »Davon habe ich bereits gehört«, sagte Elínborg.
    »Ich war bei ihr, als sie abgeführt wurde«, sagte Karl. »Es war grauenvoll, diese Gewalt und die Bösartigkeit. Niemand wusste, was aus ihr geworden ist, und ich glaube, Tómas hat es nie verwunden.«
    »Sie war sehr mutig«, sagte Ulrike.
    »Sie hatte systemkritische Ansichten«, sagte Karl. »Das wurde nicht geduldet.«

    Erlendur klopfte bei Haraldur im Altersheim an die Tür. Das Frühstück war gerade vorbei, und aus dem Speisesaal hörte man noch Geschirrklappern. Sigurður Óli war mit ihm gekommen. Sie hörten, wie Haraldur drinnen etwas rief, und Erlendur öffnete die Tür. Haraldur saß wie zuvor vorgebeugt und mit dem Kopf zwischen den Schultern auf der Bettkante und starrte auf den Boden. Er hob den Kopf ein wenig, als sie das Zimmer betraten.
    »Wer ist das denn?«, fragte er, als er Sigurður Óli erblickte. »Einer meiner Mitarbeiter«, sagte Erlendur.
    Statt Sigurður Óli zu begrüßen, starrte Haraldur ihn so grimmig an, als müsse Sigurður Óli sich vor ihm in Acht nehmen. Erlendur setzte sich auf einen Stuhl, der vor Haraldurs Bett stand. Sigurður Óli blieb stehen und lehnte sich an die Wand.
    Die Zimmertür öffnete sich wieder, und ein grauhaariger Mann steckte seinen Kopf
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