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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition)
Autoren: Jan-Erik Fjell
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auf der Suche nach einem Glas.
    «Nimm einfach den ganzen Karton mit, Liebes.»
    «Aber der ist doch noch halb voll, Mann.» Sie schüttelte ihn.
    «Schon in Ordnung.»
    Neugierig blickte sie Anton an und sagte fragend: «Hallo?»
    Anton nickte. «Wie heißt du?»
    Karl Skarvik wandte Anton langsam den Kopf zu und legte einen Zeigefinger auf die Lippen.
    «Linnea.» Sie schraubte den Deckel ab. Setzte den Karton an den Mund und ging.
    Sie war schon halb den Gang hinunter verschwunden, da rief Karl Skarvik hinter ihr her: «Bekomme ich keinen Gutenachtkuss?»
    «Ich geh noch nicht ins Bett», erwiderte sie und setzte ihren Weg fort.
    «Danke», sagte Karl Skarvik, nachdem sie um die Ecke verschwunden war.
    Anton brummte. «Wie alt ist sie?»
    «Sie ist jetzt im Sommer sechzehn geworden.»
    «Drei Jahre jünger als die erste Frau, die Nils vergewaltigt hat. Ich sage
die erste
, weil wir nur zwei Anzeigen vorliegen haben. Sie wissen ja am besten, wie hoch bei solchen Delikten die Dunkelziffer ist.» Anton legte den Unterarm auf die Arbeitsplatte und stützte sich darauf. «Das Ganze kann nur dann noch schlimmer werden, wenn Nils’ Mutter eine Patientin von Ihnen war. Das genau ist meine Vermutung, da Sie partout nichts von ihm wissen wollten. Nils weiß nämlich gar nicht, dass Sie sein Vater sind, oder doch?»
    Karl Skarvik schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen.
    «Nils hat doch bestimmt bis zu seinem Schulabschluss in Fredrikstad gewohnt?»
    «Ja.»
    «Sie müssen ihm begegnet sein. Die Stadt ist klein.
Die Welt
ist klein.»
    «Ich hab ihn ein paarmal gesehen, ja, aber nicht oft. Die wenigen Male kann ich an einer Hand abzählen, ich habe immer darauf geachtet, Einkaufszentren und dergleichen zu meiden, wenn die Jugendlichen sich dort trafen.»
    «Waren Sie nie versucht, etwas zu sagen?»
    «Doch, nachdem ich vom Selbstmord seiner Mutter erfahren hatte, schon. Aber dazu kam es nicht. Ich hatte in der Zwischenzeit geheiratet.»
    «Und sie weiß nichts davon», stellte Anton fest.
    «Nein …»
    «Und wann wollten Sie es Nils erzählen?»
    Karl Skarvik zuckte mit den Schultern. Es entstand eine Pause von ein paar Sekunden, bevor er weitersprach: «Nils’ Mutter … sie war … sie war verrückt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das weiß ich deshalb, weil ich ihre Krankenakte geführt habe. Sie hätte einen Psychiater gebraucht, keinen Psychologen. Ich war noch jung. Jünger als Nils heute. Ich will nicht behaupten, dass sie mich hereingelegt hat, das entspricht nicht der Wahrheit, aber … Sie wissen ja, wie viele dieser Frauen sind. Sie legen es darauf an, einen zu verführen. Ich kam damals frisch von der Uni. Sie saß vor mir und erzählte von ständig wechselnden Sexpartnern, darum habe ich eine Zeitlang auch nicht geglaubt, dass ich Nils’ Vater bin.»
    «Wann wurde es Ihnen klar?»
    «Da war er fast drei. Sie schickte mir dauernd Fotos, und die Ähnlichkeit mit mir als Kind war frappierend.»
    «Nicht einmal da haben Sie den Kontakt gesucht?»
    «Ich wollte einfach nichts mit ihr zu tun haben. Ob das egoistisch ist? Ja.» Er stand auf. Ging zur Küchenzeile und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. «Sie hat bis zu ihrem Tod nicht lockergelassen. Sagte, ich müsse die Verantwortung übernehmen. Hat ihn sogar nach mir benannt.»
    «Aber diesen Namen haben Sie abgelegt. Um nicht dauernd daran erinnert zu werden?»
    Er nickte. «Als ich im März Nils’ Akte zu Gesicht bekam, wusste ich noch nicht, was er mitgemacht hatte. Davon stand da nichts. Dort stand nur, dass er in jungen Jahren etwas Furchtbares erlebt hatte und daher unter Ängsten und Depressionen litt. Dazu noch der Drogenmissbrauch. Aber bei der Mutter, die er hatte, war es schwer zu sagen, was sein Hausarzt mit dem Ausdruck
etwas Furchtbares
meinte. Das konnte alles gewesen sein, dass er ihren Selbstmord beobachtet hatte bis hin zu … na ja.»
    «In dem Moment wurde die Versuchung, Ihren eigenen Sohn kennenzulernen, ohne dass er etwas davon erfuhr, zu groß?»
    Erneutes Nicken. «In erster Linie wollte ich ihm ja helfen. Die Geschichten, die er mir erzählt hat, drehten mir nach unseren Sitzungen regelmäßig den Magen um. Jeden Abend kam ich nach Hause und sah, wie gut es meinen Töchtern ging und dass ich es ihm hätte ersparen können, von einem Heim ins nächste geschoben zu werden, wenn ich mich damals meiner Verantwortung gestellt hätte. Und als wäre das nicht schon genug, landete Nils bei Viggo Holm, nachdem das Jugendamt endlich
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