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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben
Autoren: F Schmöe
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auf.
    Als sie auflegten, vorher einen schnellen Kuss in die Leitung schickten, hatte Katinka das Bedürfnis, zu reden. Sie rief Britta an. Britta war um diese Zeit meistens noch wach. Aber nur der Anrufbeantworter meldete sich.
    »Britta, wenn du zu Hause bist, geh mal ran.«
    Katinka wartete, aber nichts tat sich. Sie sprach ein kurzes ›o.k.‹ auf das Band und legte auf. Schon hatte sie die Kurzwahltaste für Hardos Handynummer gedrückt, als sie erschrocken den Rufaufbau unterbrach. Das muss ein Reflex sein, dachte sie. In Notsituationen rief sie ihn an. Wenn sie Leichen fand, bedroht wurde, einen Mörder gestellt hatte. Aber das waren Situationen, in denen polizeiliche Hilfe angesagt war. Nun ging es um etwas ganz anderes. Sie holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, nahm gleich einen Schluck aus der Flasche. Stellte es zurück. Es schmeckte ihr nicht.
    Bis ein Uhr in der Nacht hatte sie darüber nachgedacht, wen sie sonst noch anrufen könnte. Bei sechs Milliarden Menschen gab es nur zwei, deren Nummern sie für Notfälle gespeichert hatte, abgesehen von Tom. Und deren Hilfestellung war auch noch gefiltert: Ein Kontakt war für Privates gebucht, ein anderer fürs Geschäftliche.
    Doch nun, da der Ford ausnahmsweise mal keine Mätzchen gemacht hatte und sofort angesprungen war, die freundlichen Gesichter der fränkischen Dörfer sie begleiteten, und Cecilia Bartolis herrliche Stimme aus den Lautsprechern eine Mozartarie nach der anderen schmetterte, kam ihr Mut zurück. Es gab immer noch Hoffnung. Für Toms Mutter, für die Zukunft allgemein. Sie freute sich auf das Zusammensein mit Dani. Auf die gemeinsamen Erinnerungen an früher, an die ›alte Heimat‹, auch wenn die schon ganz in der Vergangenheit versunken war. Wie alt sind wir mit knapp dreißig, dass wir von früher reden, überlegte sie und musste lächeln. Sie fragte sich wie nebenbei, ob Schlafmangel euphorisch machte.
    Konzentriert folgte sie Danis Wegbeschreibung und hatte bald die Abzweigung erreicht, die von einem ohnehin schmalen Sträßchen auf einen Kiesweg führte. Sie bog ab. Kleine Steinchen spritzten gegen die Karosserie. Sie grinste. Der Wagen war schon längst über den Zenit seines Daseins hinaus. Ein paar Kratzer und Dellen bedeuteten nur noch Ehrerweisungen.
    Dani hatte recht gehabt: Das Grundstück war riesig, ihr Haus nicht zu sehen, bis Katinka nahe herankam. Die Buchen traten zurück und gaben den Blick frei auf ein altes, ehrwürdiges Stück Geschichte. Sofort empfänglich für die Aura dieses Holzhauses, die Abenteuer, die sich darin abgespielt hatten, hielt Katinka den Wagen an. Das spitze, rot gedeckte Satteldach glänzte. Dani hatte viel Mühe auf den Garten verwendet. Katinka konnte sich ihre Freundin schwerlich mit der Gießkanne in der Hand vorstellen. »Wer weiß, welche Talente noch in ihr schlummern«, murmelte sie.
    Und da war noch etwas Merkwürdiges. Es strich nur wie eine tiefhängende Wolke durch Katinkas Bewusstsein. Sie hielt kurz inne. Vergaß es dann. Vielleicht wegen der Müdigkeit.
    »Ich bin Frühaufsteherin, du kannst ab sieben Uhr hereinschneien«, hatte Dani ihr versprochen. Katinka fuhr bis zum Zaun, stellte den Motor ab und stieg aus. Drückte kurz auf die Hupe.
    »Dani!«, rief sie, sog tief die kühle Morgenluft ein und stapfte durch den Kies auf den Zaun zu, stieß das kleine Gartentor auf und betrat eine staunenswerte Welt. Dani hatte einige ihrer Steinskulpturen im Garten ausgestellt. Abstrakte Formen, die auf wundersame Weise mit dem Garten zu verwachsen schienen. Ein Märchengarten, dachte Katinka lächelnd. Das gefiel ihr.
    »Dani?« Sie musste noch schlafen. Von wegen Frühaufsteherin, dachte Katinka und ging um das Haus herum. Sie würde warten, bis Dani wach war. Staunend streifte sie durch den Garten. In diesem Farbenmeer könnte sie sich verlieren. Der Regen der letzten Zeit hatte tatsächlich auch sein Gutes gehabt. Von all den Blumen erkannte sie nicht einmal ein Zehntel, und die Namen für die unzähligen gelben, weißen, rosafarbenen, blauen, violetten, roten Prachtstücke waren ihr fast vollkommen fremd. Alles blühte und rankte und lebte. Als sie ein ganzes Beet Rittersporn entdeckte, war sie so glücklich, als habe sie einen alten Bekannten getroffen. Ein ganzes Vogelorchester zwitscherte um sie her. Amseln hopsten herum und beäugten Katinka aus sicherer Entfernung. Sie setzte sich auf einen der Steinpfeiler ganz am Ende des Gartens, blickte über die Wiesen und Felder, eine
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