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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben
Autoren: F Schmöe
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gehört?«
    »Ich lese keine Zeitung und höre kein Radio. Der Schmutz der Welt belastet meine Kunst nur unnötig.«
    Katinka meinte zunächst, Dani habe es scherzhaft gemeint. Das klang ihr zu salbungsvoll und untypisch für Dani, die sich noch nie mit Starallüren geschmückt hatte. Sie sah Katinka ernst an. »Deswegen habe ich auch kein Handy. Ich brauche die Stille, um kreativ sein zu können.«
    Klingt wie auswendig gelernt, dachte Katinka.
    »Dann erzähle ich dir die Story. In Bamberg werden Käfer-Cabrios erdolcht.«
    Dani machte so ein entgeistertes Gesicht, dass Ka-tinka doch lachen musste. Sofort stellte sich das Gefühl von Befreiung ein. Sie erzählte von ihrem Besuch am Tatort.
    »Komisch«, sagte Dani und sah in die Ferne. »Sehr komisch. Ich glaube nicht, dass Autofreaks sich gegenseitig ihre Käfer in der Erbsensuppe versenken.«
    »Eben!«
    »Ermittelst du?«
    »Nein. Ich habe ja keinen Auftraggeber. Ich frage mich nur so manches.«
    »Die Neugier«, neckte Dani. Sie versuchte ein Lächeln. Starrte wieder in die Ferne.
    »Exakt«, bestätigte Katinka kurz und fuhr wieder über das kurze, stachelige Gras. Es gab diese Momente, in denen man sich fragte, ob man sich eigentlich in seinem eigenen Leben befand.
    »Vielleicht ist es ein erklärter Autogegner, einer, der die Umwelt schützen und ökologisch denken will. Dem sind die Oldtimerfetischisten ein Dorn im Auge.«
    »Youngtimer heißen die. Sie sind noch zu jung, um in die Oldtimerklasse aufzusteigen. Ich habe den Gedanken gestreift, aber ein überkandidelter Luftreinhalter würde die Autos sonstwie kaputtmachen. Gegen die Wand fahren, Lack zerkratzen, zur Not das Dach aufschlitzen, was weiß ich. Aber wer kauft teure Schwerter, um damit dann zwei Käfer abzuschlachten?«
    Dani antwortete nicht gleich. Sie konnte ihren Blick nicht vom Fluss losreißen. Dann sagte sie: »Sag mal, wenn du auf einer Brücke stehst, schaust du in die Richtung, in die der Fluss fließt, oder in die, aus der der Fluss kommt?«
    Katinka blickte sie erstaunt an.
    »Ich denke, in die Richtung, in die der Fluss fließt. Und du?«
    »Merkst du doch, oder? Ich schaue immer zur Quelle.«
    Katinka verstand nicht, worauf Dani hinauswollte. Plötzlich wirkte sie nachdenklich, fast verträumt.
    »Hör mal«, begann Dani wieder. »Wenn du dein Wochenende sowieso anders geplant hattest: Komm doch für ein paar Tage zu mir raus. Meine Traumhütte ist gerade mal eine knappe Stunde von Bamberg entfernt. Ich zeige dir meine neuen Plastiken. Du kannst den ganzen Tag in der Sonne liegen, während ich gipse und klopfe.«
    Überrascht sah Katinka auf. »Du, da sage ich glatt zu.«
    Dani lachte. Die Tristesse, die über ihr Gesicht gezüngelt war, verlosch. »Super. Gleich morgen schaust du vorbei. Und jetzt komm: Wir schwimmen.«
    »Ich denke, du frierst?«, lachte Katinka. Mit einem Mal fühlte sich alles ganz leicht an.
    »Egal. Ich will die Bisamratten kennen lernen.«
    Sie rannten kichernd über den Holzsteg und sprangen mit lautem Hallo kopfüber in das eiskalte Wasser.
     

3. Ein einsames Haus
    Katinka steuerte Toms Ford Fiesta durch die fränkischen Hügel. Am frühen Morgen glänzten die Dörfer in den spärlichen, verhalten durch die Wolkendecke spitzenden Sonnenstrahlen. Sie prahlten mit ihrer farbigen Blumenpracht, den Fachwerkhäusern und liebevoll gepflegten Gärten. Hügel und Wälder spreizten sich wie in einem Merian-Heft. Selbst das durchwachsene Wetter vermochte dem Reiz der Landschaft nichts anzuhaben.
    Katinka stellte den Klassiksender ein. Sie hatte wieder wenig geschlafen. Erst spät am Abend war es ihr gelungen, Tom an die Strippe zu kriegen. Bis elf Uhr hatte er bei seiner Mutter im Krankenhaus verbracht. Es ging ihr sehr schlecht. Ihre rechte Körperhälfte war gelähmt, sie konnte nicht sprechen und war die meiste Zeit nicht bei Bewusstsein.
    »Eine ziemlich große Blutung in der linken Gehirnhälfte«, sagte Tom. Seine Stimme klang erschöpft und illusionslos. »Die Ärzte machen keinerlei Aussagen: Sie könnte sich erholen, aber mir sieht alles so aus, als wäre die Sache hiermit beendet. Es kann alles nicht wahr sein.«
    Katinka versuchte ihn zu beruhigen und ihm Hoffnung zu machen, aber es war zu früh dafür. Er durchlief die Phase des ersten Entsetzens, der Ungläubigkeit. Wenn er von seiner Mutter und dem Schlaganfall sprach, redete er wie von einem umgestürzten Baum oder einem liegengebliebenen Auto. Kamen die Ärzte ins Spiel, regte er sich sofort
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