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Jungs sind keine Hamster

Jungs sind keine Hamster

Titel: Jungs sind keine Hamster
Autoren: Frank Schmeißer
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Essen dampfte.
    „Hier. Für mich“, sagte ich und der Kellner stellte uns das Essen vor die Nase.
    „Guten Appetit“, sagte er und ging.
    Während des Essens führte mich Marvin in die Theorie des Snowboardens ein. Wie man sich hinzustellen hatte, was man für eine Ausrüstung brauchte und wo ich mir die ausleihen konnte. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir zusammensaßen, etwas Leckeres futterten und uns über Wintersport unterhielten, fand ich wunderschön. Wir waren ein ganz normales Paar. Eines wie all die anderen, die gerade hier im Restaurant saßen und die ich die ganze Zeit aus den Augenwinkeln beobachtete, um mir abzuschauen, was man als ganz normales Paar in einem Restaurant so machte. Die Pärchen sahen sich verliebt an, flüsterten sich etwas zu, scherzten und manche fütterten sich gegenseitig. Sollten wir das auch tun? Ich entschied mich dagegen. Dafür war ich zu nervös. Nachher würde ich ihm noch mit zittrigen Fingern die Gabel ins Auge stechen. Und so eine Gabel im Auge ist ja definitiv nicht romantisch.

    Nachdem wir aufgegessen hatten, brachte der lautlose Kellner die Rechnung auf einem kleinen, goldenen Tellerchen, auf dem auch noch zwei Kekse lagen. Marvin bezahlte wieder und reichte mir einen Keks, den ich sofort verspeiste.
    Marvin beobachtete mich fassungslos.
    „Äh … das war ein Glückskeks. Und da war ein Zettel drin. Und den nimmt man eigentlich vorher raus!“, rief er und amüsierte sich prächtig über meine Dusseligkeit. Lachtränen liefen ihm die Wangen hinunter. Aber mir war alles andere als zum Lachen zumute. Eher zum Heulen. Auf dem blöden Zettel, der gerade in meinem Magen lag, stand bestimmt: Wenn du dich heimlich mit jemandem triffst, setz dich nicht ans Fenster, du Esel!
    Vor dem Fenster stand Lore und sie guckte ebenso entgeistert wie ich. Durch die beschlagene Scheibe sah sie aus wie ein Gespenst. Ein Lore-Gespenst. Irgendwie so unecht. Sie lief weg. Erstarrt sah ich ihr nach, solange ich konnte.
    „Oh mein Gott!“, stöhnte ich. „Das darf doch nicht wahr sein!“
    Ich sprang auf.
    „Was hast du?“, fragte Marvin, der sich seine Tränen wegwischte und vom eigentlichen Drama nichts mitbekommen hatte.
    „Lore!“, ächzte ich.
    Marvin sah mich fragend an.
    „Lore war da. Sie hat uns gesehen.“
    Marvin sah sich um. „Wo?“
    „Draußen. Sie stand draußen. Sie ist weggelaufen.“
    Ich riss meine Jacke von der Stuhllehne.
    „Ich muss ihr hinterher!“
    „Moment! Ich komm mit!“
    Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Marvin hektisch sein Wechselgeld einsteckte und sich seine Jacke schnappte. Dann stürmte ich schon aus dem Restaurant und rannte, so schnell ich konnte, die Straße hinunter. Weit hinter mir hörte ich Marvin etwas brüllen, aber ich konnte nicht verstehen, was. Ich bog in die Hauptstraße ab.
    Wie Slalomstangen umkurvte ich alle, die mir entgegenkamen. Die kalte Luft brannte in meiner Lunge und meine Augen tränten. Ungefähr fünfzig Meter vor mir sah ich endlich Lore. Sie marschierte schnurstracks zur U-Bahn-Haltestelle.
    „Lore, warte!“, schrie ich so laut, dass mir fast die Stimmbänder rissen.
    Sie drehte sich um, sah mich und rannte wieder los. Hinter mir keuchte Marvin. Er hatte mich fast eingeholt, war aber schon völlig aus der Puste.
    Ich gab noch mal Gas, holte alles aus mir raus, schüttelte Marvin ab und erreichte die Treppen zur U-Bahn. Unten sah ich Lore in Richtung Bahnsteig verschwinden. Ich hielt mich mit einer Hand am Geländer fest und stürmte die Treppen mit Riesensprüngen hinunter. Passanten wichen aufgeschreckt zur Seite.
    „Ich muss durch! Sorry! Platz da! Lassen Sie mich durch!“, rief ich aufgeregt, während die Leute aus dem Weg sprangen und fluchten.
    Die Beschimpfungen perlten an mir ab. Ich hoffte nur, dass die Bahn nicht gerade jetzt einlief und Lore damit abhauen konnte.
    Unten auf dem Bahnsteig sah ich, wie Lore hektisch den Fahrplan absuchte und immer wieder hoch zur Bahnhofsuhr schaute. Kurz bevor ich bei ihr war, bremste ich meinen Lauf. Ich wollte sie ja nicht verscheuchen.
    „Lore, bitte …“, sagte ich. „Ich muss mit dir reden.“
    Ihr Gesicht war vor Wut und Enttäuschung verzerrt. Ihre Wangen waren gerötet. Sie keuchte.
    „Ich aber nicht mit dir!“, fauchte sie.
    Lore ließ mich stehen. Sie setzte sich einige Meter entfernt auf eine Bank, schnappte sich die Zeitung, die neben ihr lag, und blätterte demonstrativ darin herum. Ich folgte ihr vorsichtig.
    „Hau ab!“, begrüßte sie
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