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Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Titel: Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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kleine Leiter führte hinauf, so dass man leichter ins Innere blicken konnte. Julius nahm die Stufen flinker, als es sein von vielen Sahnesaucen harmonisch gerundeter Körper erwarten ließ, und sah nachdenklich über den leise blubbernden, roten See, auf dem der Tresterhut wie grobe Marmelade trieb. Hier hatte Siggi also sein Ende gefunden. In seinem geliebten Wein zur Ruhe gebettet. Darüber hätte er laut gelacht, und es hätte wie das Bellen eines großen Hundes geklungen.
    Ein Geräusch schreckte Julius aus seinen Gedanken. Es klang, als würde jemand etwas über den rauen Betonboden schleifen. Hinter dem Maischebottich tauchte ein im Tal allseits bekannter Charakterkopf auf. Wie eine Birne geformt, mit einer eckigen Brille aus massiven Glasbausteinen, welche fast die gesamte obere Gesichtshälfte einnahm. Dazu ein Körper, der wie ein Heißluftballon wirkte. Dr. Gottfried Bäcker ähnelte seinem Parteigenossen aus Oggersheim wie ein jüngerer, ungepflegterer Bruder. Eine Schweißperle rann ihm über die Stirn.
    »Hallo Julius, grüß dich. Schlimme Sache das. Mein Beileid!«
    Julius kletterte die Leiter herunter. Der Landrat reichte ihm die Hand.
    »Dank dir. – Aber was ist denn nun eigentlich genau passiert?«
    »Hat dir noch keiner …?«
    Julius schüttelte den Kopf.
    »Er ist in diesem Bottich hier gefunden worden. Mit einer großen Wunde am Hinterkopf. Es muss ihn jemand mit einem schweren Gegenstand geschlagen haben, und dann ab in die Maische.«
    »Weiß man schon, wer?«
    »Neeein. Wer könnte unserem Siggi denn schon was Böses wollen? Da fällt mir keiner ein …«
    Das konnte Julius nicht durchgehen lassen. »Natürlich war er ein großer Winzer. Aber er war kein einfacher Charakter, Gottfried. Ein Unbequemer, ein Querkopf, das war er.«
    »Aber unser Querkopf! Ein schwerer Verlust für uns alle …«
    Julius nickte. Obwohl er Bäcker aus mehr als einem Grund nicht gewählt hatte, fand dieser doch häufig die richtigen Worte.
    »Ich finde es sehr mitfühlend, dass du deine Aufwartung machst. Das bedeutet der Familie bestimmt viel.«
    Bäcker lächelte. »Das ist doch selbstverständlich bei besonders verdienten Mitgliedern unseres Kreises. – Ich muss jetzt aber auch schon weg. Es war schön, dich mal wieder gesehen zu haben! Ich hoffe, die Geschäfte laufen gut?«
    »Könnten nicht besser gehen.«
    »Gut. Gut. Bis dann!«
    Weg war er.
    Bäcker hatte Recht, dachte Julius und strich über seine verbliebene Lockenpracht, die sich wie ein lorbeerner Siegerkranz um den kugeligen Kopf zog. Siggi war zwar ein Enfant terrible und zuweilen ein grober Klotz gewesen, aber zu viele profitierten von ihm. Und doch musste es jemanden gegeben haben, der mehr Nutzen aus seinem Tod zog. Der Mord ging Julius an die Nieren, mehr als das. Die Vorstellung, wie Siggi tot im Bottich trieb, ließ ihn schaudern. Dies war nicht das friedliche, beschauliche Ahrtal, das er liebte.
    Wieder im Probierraum entdeckte Julius ein unbekanntes Gesicht. Eine junge Frau im grauen Kostüm sprach eindringlich mit Gisela. Bevor er sich erkundigen konnte, wer dort gekommen war, beantwortete Jupp schon die Frage.
    »Die da ist von der Polizei. Haben sie aus Koblenz geschickt. Das kann doch nix geben! Da wird unser größter Winzer ermordet, und die schusseligen Anrheiner schicken uns ihr jüngstes Gemüse. Denen werd ich was erzählen! Gleich morgen ruf ich da an, das versprech ich dir!«
    Julius war froh, dass er an diesem Abend arbeiten musste. Er war froh über jedes Ossobuco mit Spätburgundertrauben, jedes »Dreigestirn«, jedes Wildschweinfilet an grünem Spargel und Morcheln, jedes Gigot vom Milchlamm, das er mit seinem innig geliebten Wüsthof-Messer bearbeiten konnte, und erst recht über jede aufwändige Languste auf Blattspinat mit Krebsrahmsauce. Er war froh über jedes Stück, das er in die Pfanne legen, jedes Gewürz, das er zugeben konnte, jede Dekoration, die es auf einem Teller zu drapieren galt. Das lenkte ab und ließ ihn nicht an den Mord in der Kelterhalle denken. Nur einmal wurde sein Gedächtnis unangenehm aufgefrischt, als Franz-Xaver, chronisch unsensibel, wie es seine Wiener Art war, mit süffisantem Lächeln erzählte, dass die Weine von Schultze-Nögel besser liefen als je zuvor. Jeder bestelle sie, egal, ob diese zum Essen passen würden oder nicht. Aber selbst der Zorn darüber verrauchte schnell, weil all die verlockenden Gerüche wieder Julius’ Geist einnebelten. Als er um ein Uhr morgens in sein barockes
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