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Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Titel: Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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sogar ganz hinten alles hören konnte, was der Tourführer sagte.«
    Und Julius erzählte. Von Reuschenberg ließ ihn reden. Julius wusste, dass es nicht die Informationen waren, die sie von ihm hören wollte, aber er fühlte sich von Wort zu Wort besser, während er die Geschichte des Bunkers rekapitulierte. Er zog einen ordentlich gefalteten Zettel hervor, den der Golfclub verteilt hatte, damit alle die rudimentären Informationen über das Bauwerk kannten. Julius las ihn vor. Er klang wie eine Todesanzeige.

    – Infoblatt –
    für den Vereinsausflug am 7. Januar zur Dienststelle Marienthal (ehemaliger Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfalle zur Wahrnehmung von deren Funktionsfähigkeit)

    Etwa 1910 begann man im Ahrtal mit dem Bau einer neuen Eisenbahnlinie. Diese sollte den Weg nach Westen verkürzen, um im Kriegsfall möglichst schnell Truppen, Gerät und Nachschub in Richtung Frankreich transportieren zu können. Für die neue Bahnstrecke wurde auch mit dem Bau eines ca. drei km langen Tunnels begonnen. Das Ende des Ersten Weltkrieges bedeutete aber auch für die neue Bahnlinie das Ende. Im Zweiten Weltkrieg entsann man sich des Tunnels, um dort, geschützt vor den alliierten Luftangriffen, V1- und V2-Raketen zu montieren. Nach dem Beitritt zur NATO ergab sich dann Ende der 50er Jahre für die junge Bundesrepublik die Notwendigkeit, ein Schutzbauwerk für die Regierung und die übrigen Verfassungsorgane zu errichten. Man entschloss sich, dazu auf den stillgelegten Eisenbahntunnel im Ahrtal zurückzugreifen, weil die bis zu 112 Meter mächtige Überdeckung durch Schiefergestein den besten Schutz vor Angriffen aller Art gewährleistete, einschließlich möglicher Nuklearschläge. Die Längenausdehnung und ihre Untergliederung in autarke Abschnitte machten die Tunnelanlage zu einem Flächenziel, das nur schwierig anzugreifen war. Fast fünf Jahrzehnte später, im Jahre 1997, fasste das Bundeskabinett den Beschluss, die Anlage aufzugeben. Bis zur Schließungsentscheidung unterlag das Bauwerk strengster Geheimhaltung.
    Julius sah wieder auf. Von Reuschenberg notierte etwas in ihr burgunderrotes Notizbuch und nickte ihm dann zu. Julius versuchte sich zu erinnern, versuchte wieder dort zu sein in dieser betonierten Monstrosität, deren Eingang nur wenige Meter entfernt lag und aus dessen verschlungenem Magen soeben eine Leiche hervorgeholt worden war.
    »Es war … ja, es war wie in einem dieser alten James-Bond-Filme, wie in ›James Bond jagt Dr. No‹. Viel veraltete, museale Technik in Topzustand. Man fühlte sich wirklich wie in einem Film.«
    Und Julius erinnerte sich an den merkwürdigen Film, in dem er gerade mitgespielt hatte. Sie hatten sich einige der 936 Schlafzellen angeschaut, waren durch ein paar der 897 Büros gegangen, hatten je eine der fünf Großkantinen, der fünf Kommandozentralen und der fünf Sanitätsbauwerke bewundert.
    »Am beeindruckendsten fand ich die Fahrradabstellhalle – wer rechnet schon mitten im Bauch eines Bunkers damit?«
    Julius erzählte von der Druckerei, dem Frisörsalon und dem Raum für ökumenische Gottesdienste. Er erzählte von der roten Präsidentencouch, auf der im Übungsfall nur »Bundespräsidenten-Üb« gesessen hatten – Bundeswehrjargon für die Doubles. Und er erzählte von den Türen.
    »Fünfundzwanzigtausend Türen, können Sie sich das vorstellen?«
    Julius erzählte nicht von der aseptischen Kühle, nicht von dem Angstgefühl, das ihn überkommen hatte. Ein kleiner Vorgeschmack auf einen Bunkerkoller, dachte er, den er hoffentlich niemals erleben würde. Längere Zeit in diesen Betonschläuchen, umgeben von blanken Wänden und Rohren, nur fahles künstliches Licht, und der Wahnsinn würde anklopfen. Die Luft war ihm mit einem Mal schwer, wie mit Beton durchmischt vorgekommen. Als müsste sie dichter sein, um all der Erde standzuhalten, die über ihr lag. Nein, er würde es nicht lange in dieser unterirdischen Geisterstadt aushalten. Julius lief es kalt den Rücken herunter, und das lag nicht daran, dass das Thermometer unter null anzeigte. Von Reuschenberg musste all dies nicht wissen. Und sollte es auch nicht.
    »Es war schon ziemlich zum Ende der Führung, als mir auffiel«, er hielt seine Kameratasche hoch, »dass ich etwas vergessen hatte. Der Tourführer rief per Funk einen Kollegen, der kurz darauf auf einem Fahrrad bei der Gruppe ankam. Wir sind zusammen durch die letzten Räume gegangen, in denen die
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