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Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi

Titel: Julius Eichendorff 02 - Nomen est Omen - Eifel Krimi
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Gedanken, großer Maestro? Auf jeden Fall net beim Probekochen!«
    Die süffisante Art des alten Freundes holte Julius wieder ins Hier und Jetzt. Zugleich merkte er, wie seine familiären Gene sich lautstark zu Wort meldeten.
    »Ich muss zu meiner Großkusine. Die Arme, wer weiß, wozu sie jetzt fähig ist …«
    »Deine Großkusine? Meinst die Gisela, die Frau vom Siggi?«
    »Ich hab jetzt keine Zeit. Hör’s dir im Radio an. Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme. Du musst hier solang das Zepter schwingen. Wir nehmen noch mal die Karte von gestern.«
    Und weg war er durch die Hintertür. Julius hatte noch aus den Augenwinkeln erkennen können, dass Franz-Xaver ihm fragend hinterherschaute. Die beiden kannten sich schon lange, hatten gemeinsam ihre Ausbildung im Münchner »Tantris« absolviert, als noch der große Witzigmann dort kochte. Sie hatten über die Jahre, auch in den schweren Anfangszeiten der »Alten Eiche«, immer zusammengehalten. Franz-Xaver wunderte sich bestimmt, warum er so kurz angebunden war. Aber für lange Erklärungen hatte Julius keine Zeit.
    Noch in voller Kochmontur schwang er sich in seinen Audi A4 und brauste auf die Landskroner Straße Richtung Dernau. Schaltete in den Vierten, in den Fünften, fuhr achtzig und damit zehn mehr als erlaubt und kam mit quietschenden Bremsen wenige Zentimeter hinter der Stoßstange einer Euskirchener Familienkutsche zum Stehen. Julius konnte erkennen, dass vor diesem weitere Euskirchener, Bergheimer, Bonner und Kölner standen. Stange an Stange, in ihren faradayischen Käfigen die wunderbare Natur des Ahrtals genießend. Denn es war Sonntag. Sonntagmittag. Und der Weg von Heppingen bis Dernau war verstopft mit unternehmungslustigen »Ahrschwärmern«, die ihr Wochenende in Strömen von Federweißem ersäufen wollten. Und für die Zwiebelkuchen an diesen Tagen den Höhepunkt der abendländischen Kochkultur darstellte. Es gab keinen Schleichweg, keine Abkürzung und auch keinen Feldweg, der sich zweckentfremden ließ. Das Ahrtal war einfach zu eng, um mehrere Durchgangsstraßen zu beherbergen. Julius spürte, wie die Wut in ihm hochstieg und sich in einigen gezielten Schlägen auf sein Hartplastik-Lenkrad entlud. Sonst machte er am Wochenende keinen Schritt vor die Tür. Er hasste Menschenmassen. Und er hasste es zu warten. Jetzt stand er inmitten von Menschenmassen und wartete.
    Julius wollte, um sich zu entspannen, auf die Weinberge blicken, die sich jetzt im Oktober so wundervoll verfärbten. Manchmal jede Reihe in einem anderen Ton, so dass sie wie große Papiergirlanden wirkten, die ein gut gelaunter Riese über die Rebgärten gehängt hatte. Heute aber waren sie vor lauter Touristen kaum zu sehen. Wie Heuschrecken waren sie ins Tal eingefallen, ihre Goretex-Jacken um die Hüften geschwungen und gefräßig die reifen Trauben vom Wegesrand essend, die bunten Blätter von den Rebstöcken reißend, um einen Strauß zu sammeln.
    Der Radiomoderator unterbrach das laufende Musikstück für eine Sondermeldung. In diesem Moment war es ausnahmsweise gut, dass der Verkehr sich staute. Mit voller Geschwindigkeit wäre Julius vor Überraschung bestimmt in den Vordermann gerauscht.
    »Wie wir gerade erfahren haben, ist der Top-Winzer der Ahr-Region, Siegfried Schultze-Nögel, vermutlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Näheres in den Nachrichten um 13.00 Uhr.«
    Erst eine halbe Stunde später, nachdem er von unzähligen Motorrädern überholt worden war und sich etliche stolz im Stau spazieren geführte Oldtimer vor ihm in Parklücken gequält hatten, tauchte vor Julius wie eine Erlösung die orange leuchtende Tankstelle am Ortseingang von Dernau auf. Noch einmal abbiegen, und er konnte vor dem Hintereingang des Weingutes parken, direkt gegenüber dem kleinen katholischen Friedhof. Die Wagen der Sippe standen schon vor dem Haus, aber nicht wie sonst ordentlich in Reih und Glied geparkt, sondern geradewegs dort abgestellt, wo Platz war. Kreuz und quer. Alle waren sie schon da: Onkel Jupp und Tante Traudchen, Kusine Anke mit Anhang, Großtante Käthe, Vetter Willi, dessen Frau Gertrud, Annemarie und der Rest des über das gesamte Tal verstreuten Eichendorff-Nögel-Burbach-Clans oder der »Landplage«, wie Julius sie zu nennen pflegte. Auch die Polizei war schon mit zwei Einsatzwagen angerückt. Julius ging den Abhang hinunter zur hölzernen Eingangstür der Weinprobierstube. Noch ehe er klingeln konnte, öffnete ihm Onkel Jupp, wie stets Zigarette rauchend, die
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