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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
Autoren: Julie Powell
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worden war, war gerade wieder aus ihrer Führung gerutscht, und das Pottery-Barn-Silber lag in alle Winde verstreut. Ich schluchzte, schimmernde Messer und Gabeln zu meinen Füßen. Eric umarmte mich mit einem Würgegriff wie ein Ringer - wie immer, wenn er mich zu trösten versuchte und mich doch am liebsten geohrfeigt hätte.
    »Kommst du mit?« Ich schaute nicht hoch von dem Rotzfleck, den ich auf sein Hemd drückte.
    »Ich hab zurzeit wahnsinnig viel zu tun im Büro. Außerdem ist es besser, du fliegst allein. Unternimm was Schönes mit deiner Mutter. Kauf dir was zum Anziehen. Schlaf aus.«
    »Ich hab doch auch meine Arbeit.«
    »Julie, du arbeitest als Aushilfssekretärin. Wozu soll das gut sein, wenn du nicht manchmal weglaufen und eine Pause einlegen kannst? Deswegen machst du es doch, oder?«
    Ich wollte nicht darüber nachdenken, warum ich Zeitarbeit machte. Meine Stimme schnappte über. »Aber ich kann es mir nicht leisten.«
    »Wir können es uns sehr wohl leisten. Oder wir fragen deine Eltern, ob sie es zahlen.« Er fasste mir unters Kinn und hob es hoch. »Julie. Im Ernst. Geh. So wie jetzt kann ich nicht mehr mit dir zusammenleben.«
    Also ging ich. Mom spendierte mir das Ticket als verspätetes Geburtstagsgeschenk. Eine Woche später flog ich nach Austin, früh genug, um bei Poke-Jo’s noch einen Lunch mitzunehmen.
    Und dann, mitten in meinem Ochsenbrustsandwich mit Okraschoten, einen knappen Monat nach meinem 29. Geburtstag, ließ Mom die Bald-dreißig-Bombe zum ersten Mal fallen.
    »Herrgott, Mom!«
    »Was denn?« Meine Mutter hat so einen schrillen, lächelnden, harten Ton, wenn sie will, dass ich den Tatsachen ins Auge sehe. So auch jetzt. »Ich sage ja nur, jetzt hockst du hier hundeelend, läufst aus New York weg, deine Beziehung mit Eric geht den Bach runter, und wozu das alles? Du wirst älter, du nutzt die Vorteile dieser Stadt nicht, warum tust du dir das an?«
    Es war genau das, worüber ich in Austin auf keinen Fall hatte reden wollen. Aber ich hätte wissen müssen, dass meine Mutter darin herumwühlen würde wie ein verdammter Rat-Terrier.
    Ich war nach New York gegangen, wie jeder andere auch nach New York geht. Der entscheidende erste Schritt einer Kartoffel, die in eine Suppe will, ist das Sichschälenlassen, und der entscheidende erste Schritt für eine ehrgeizige Schauspielerin ist der Umzug nach New York. Ich suchte nach Jobs, für die ich nicht vorsprechen musste, aber da ich weder wie Renée Zellweger aussah noch eine furchtbar gute Schauspielerin war, erwies sich dies als Problem. Meistens arbeitete ich als Sekretärin auf Zeit, zum Beispiel (um ein paar zu nennen) für den Copyshop der Vereinten Nationen, in der Antragsabteilung für asiatischamerikanische Abschlüsse bei AIG, für den Vizepräsidenten eines Breitbandtechnologie-Unternehmens in einem umwerfenden Büro mit Blick auf die Brooklyn Bridge (allerdings ging dieser Laden zwei Wochen nach meinem Arbeitsantritt pleite) oder in einer Investmentfirma, die sich auf die Geldangelegenheiten von Nonnenklöstern spezialisiert hatte. Seit kurzem arbeitete ich für eine staatliche Behörde in Downtown Manhattan. Es sah so aus, als würden sie mir demnächst eine feste Stelle anbieten - nach einer Weile machen das alle Arbeitgeber von Zeitsekretärinnen -, und zum ersten Mal überlegte ich verzweifelt, ob ich annehmen sollte. Das reichte schon für Selbstmordgedanken, auch ohne dass meine Mutter mir erzählte, ich würde alt. Mom hätte das wissen müssen, doch statt sich für ihre Grausamkeit zu entschuldigen, schob sie sich noch eine gebratene Okraschote in den Mund und sagte: »Komm, wir gehen einkaufen - deine Klamotten sind furchtbar.«
    Am nächsten Morgen - meine Eltern waren schon längst zur Arbeit gegangen - hockte ich in der Küche, in einen abgetragenen, grauen Flanellbademantel gewickelt, den ich schon ganz vergessen hatte, und schlürfte meinen Kaffee. Das Kreuzworträtsel in der Times hatte ich schon gelöst, auch alle Seiten außer »Business« und »Circuits« gelesen, aber noch hatte ich nicht genug Koffein im Leib, um das Anziehen ins Auge zu fassen. (Am Abend zuvor hatte ich mir übermäßig viele Margaritas gegönnt, nichts Ungewöhnliches, wenn ich meine Familie in Austin besuche.) Die Tür zur Speisekammer stand weit offen, und mein zielloser Blick lag auf den Bücherbrettern da drinnen, auf den vertrauten Buchrücken. Als ich aufstand, um meine Tasse ein letztes Mal zu füllen, machte ich einen Umweg und
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