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Julia

Julia

Titel: Julia
Autoren: Anne Fortier
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Tangosalons von Buenos Aires das süße Leben zu genießen ... oder was Gentleman-Gangster eben so taten, wenn sie in Rente gingen. Nach ein paar Schokoladen-Martinis am Pool von Castello Salimbeni schloss sich Eva Maria ihrer Meinung an. Umberto, so erklärte sie uns, während sie unter einem großen Schlapphut ihre Sonnenbrille zurechtrückte, habe seit jeher die Angewohnheit, einfach zu verschwinden, manchmal sogar für Jahre, und sie dann irgendwann aus heiterem Himmel wieder anzurufen. Außerdem vertraute sie darauf, dass ihr Sohn, sollte er tatsächlich durch den Boden in den Fluss Diana gefallen sein, bestimmt den Kopf über Wasser behalten hatte und einfach der Strömung gefolgt war, bis Diana ihn in irgendeinem See wieder ausspuckte. Wie sollte es auch anders sein?
     
    Um zum Rosengarten zu gelangen, mussten wir an einem Olivenhain und einem Kräutergarten mit Bienenstöcken vorbei. Bruder Lorenzo hatte uns an diesem Morgen das ganze Klostergelände gezeigt und zum Schluss in einen abgeschiedenen Garten geführt, in dem in einer Marmorrotunde die lebensgroße Bronzestatue eines Mönchs stand, der die Arme zu einer Geste der Freundschaft ausgebreitet hielt. Bruder Lorenzo hatte uns erklärt, dass seine Bruderschaft sich den ursprünglichen Bruder Lorenzo so ähnlich vorstelle und dass dessen sterbliche Überreste hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hätten. Eigentlich sei dieses Lorenzo-Heiligtum als Ort der Ruhe und der Besinnung gedacht, hatte er uns wissen lassen, doch in unserem besonderen Falle mache er gerne eine Ausnahme.
    Als ich mich nun mit Janice im Schlepptau dem Rosengarten näherte, hielt ich kurz inne, um wieder zu Atem zu kommen. Dort standen sie alle und warteten auf uns - Eva Maria, Malèna, unser Cousin Peppo mit seinem Gipsbein sowie ein paar Dutzend andere Leute, deren Namen ich gerade erst lernte -und neben Bruder Lorenzo stand Alessandro, mit angespannter Miene und zum Sterben schön. Stirnrunzelnd warf er einen Blick auf seine Armbanduhr.
    Während wir nun auf ihn zueilten, schüttelte er den Kopf und bedachte mich gleichzeitig mit einem halb vorwurfsvollen, halb erleichterten Lächeln. Sobald ich in Reichweite war, zog er mich an sich, küsste mich auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr: »Ich glaube, ich werde dich doch im Verlies anketten müssen.«
    »Wie mittelalterlich von dir«, antwortete ich und löste mich mit gespielter Sittsamkeit aus seinen Armen. Schließlich hatten wir Publikum.
    »So bin ich erst, seit ich dich kenne.«
    »Scusi?« Bruder Lorenzo betrachtete uns beide mit hochgezogenen Augenbrauen. Er hatte es sichtlich eilig, mit der Zeremonie zu beginnen. Pflichtbewusst wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Mönch zu und hob mir die Antwort für später auf.
    Wir heirateten nicht, weil wir das Gefühl hatten, heiraten zu müssen. Diese Trauungszeremonie vor der Lorenzo-Statue war nicht nur für uns gedacht, sondern gab uns auch die Möglichkeit, allen anderen zu beweisen, dass wir es ernst meinten, wenn wir sagten, dass wir zusammengehörten - denn dass dem so war, wussten Alessandro und ich schon seit langer, langer Zeit. Außerdem hatte Eva Maria nach einem Anlass verlangt, die Rückkehr ihrer verschollenen Enkeltöchter zu feiern, und Janice hätte es das Herz gebrochen, wenn sie dabei nicht auch eine glamouröse Rolle zu spielen gehabt hätte. Deswegen hatten die beiden einen ganzen Abend damit zugebracht, auf der Suche nach dem perfekten Brautjungfernkleid Eva Marias Schrank zu durchforsten, während Alessandro und ich im Pool meinen Schwimmunterricht fortsetzten.
    Doch auch wenn sich unsere heutige Heirat im Grunde nur wie eine Bestätigung des Versprechens anfühlte, das wir uns bereits gegeben hatten, rührte es mich dennoch, die Aufrichtigkeit in Bruder Lorenzos Stimme zu hören und zu sehen, wie aufmerksam Alessandro neben mir seinen Worten lauschte.
    Während ich dort stand, meine Hand in der seinen, begriff ich plötzlich, warum mich - mein ganzes Leben lang - die Angst gequält hatte, jung zu sterben. Wann immer ich versucht hatte, mir meine Zukunft jenseits des Alters vorzustellen, in dem meine Mutter gestorben war, hatte ich nichts als Dunkelheit gesehen. Erst jetzt verstand ich den Grund: Die Dunkelheit war nicht der Tod gewesen, sondern Blindheit. Woher hätte ich auch wissen sollen, dass ich eines Tages - wie aus einem Traum - zu einem Leben erwachen würde, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass es existierte?
    Die auf Italienisch abgehaltene,
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