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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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zwei Ansprachen: In einer ernannte der Präsident Viktor Janukowitsch, in der anderen erklärte er die Auflösung der Rada und rief das Volk auf, Ruhe zu bewahren. Eine Stunde nach Eintreffen des Boten aus der Bankowaja, wo die Administration ihren Sitz hat, kam die Anweisung, überhaupt keinen Text zu verlesen.
    Die Zeiger der Uhr rückten auf Mitternacht vor. Viktor Juschtschenko schwieg. Die Ukraine litt an schwerer Schlaflosigkeit. Das Parlament ging nicht auseinander, die Abgeordneten bereiteten sich darauf vor, bis zum Morgen wach zu bleiben. Journalisten schlenderten ziellos durch die Foyers der staatlichen Behörden und durch die Straßen Kiews. Schließlich wurden die glücklichsten von ihnen nachts in den Saal der präsidialen Pressekonferenzen gebeten.
    Der Präsident gab einen Namen bekannt: Janukowitsch.
    In jener Minute bewertete die Mehrheit der Experten Juschtschenkos Vorgehen als winzigen taktischen Sieg in seinem einsamen Kampf gegen die verhassten Konkurrenten – einer von vielen Pyrrhussiegen.
    Aber es kam noch schlimmer: Seine Wahl erwies sich als prophetisch.
    Jahre später, als Viktor Juschtschenko im Gerichtssaal erscheint, um gegen Timoschenko auszusagen, schlägt die Prophezeiung eindeutig in Verrat um.

Einundzwanzigstes Kapitel
»Die gehört hinter Gitter!«
    Viktor Juschtschenko wollte sie nicht verraten. Eigentlich wollte er gar nicht im Petschersker Gerichtsgebäude erscheinen und aussagen – weder zu ihren Gunsten noch gegen sie. Dass das Gericht zielstrebig auf ihre Verurteilung hinsteuerte, löste bei ihm keine Schadenfreude aus, aber traurig war er auch nicht. Mitgefühl empfand er mit keinem von ihnen – weder mit Timoschenko noch mit Janukowitsch.
    Wie muss es wohl richtiger lauten: Die Revolution frisst ihre Kinder oder die Kinder fressen ihre Revolution?
    Eigentlich hatte es das alles schon einmal gegeben, genau vor zehn Jahren, noch vor der Revolution. Lady Ju als Angeklagte und Jusch­tschenko in der Rolle des Handlangers der Macht. Der berühmte »Brief der drei«, der gleich nach Timoschenkos Verhaftung veröffentlicht worden war und unter dem die Namen der damaligen Landesväter standen: Präsident Kutschma, der Vorsitzende der Obersten Rada, Iwan Pljuschtsch, und Ministerpräsident Juschtschenko. Darin hatte es geheißen, ein »Häufchen Abtrünniger« und »politisches Geschmeiß« wiegele das Volk auf, indem es versuche, »die Ukraine vom Weg der Reformen abzubringen«. Ferner, dass diese Menschen eine »faschistische Clique« seien und »weder Ehre noch Gewissen« hätten. Zwischen den Zeilen konnte man mühelos herauslesen, dass Julia Timoschenko für die verlogenste und gewissenloseste unter ihnen gehalten wurde.
    »Was verdient ein Mann, der eine Frau verraten hat? Zweifellos Verachtung. Auch Viktor Juschtschenko verdient Verachtung. Offensichtlich ist ihm die Aktentasche des Ministerpräsidenten wichtiger als die Ehre.« Diese Worte des ehemaligen politischen Häftlings Lewko Lukjanenko spiegelten ziemlich genau die allgemeine Stimmung im Jahr 2001. Aber die Stimmung änderte sich rasch, als bekannt wurde, dass Juschtschenko von Timoschenko nicht verurteilt wurde und einige Anstrengungen unternommen hatte, um sie aus dem Gefängnis zu holen.
    Zehn Jahre später war Viktor Juschtschenko das alles längst egal. Er hatte keine Lust mehr auf Politik, auf seine Freunde und Feinde, und vor allem nicht auf diese beiden, Timoschenko und Janukowitsch. Nein, er wollte bei Gericht nicht erscheinen. Zweimal ignorierte er die Vorladung. Beim ersten Mal hatte er einen Grund, den man mit einiger Anstrengung wohl als gewichtig bezeichnen kann: Der Ex-Präsident machte gerade Urlaub in Paris. Auf die zweite Vorladung reagierte er überhaupt nicht mehr. Die Staatsanwälte drohten ihm sogar mit einer Strafe in Höhe von 500 Griwna, und falls er sich erneut weigern sollte, könne er auch zwangsvorgeführt werden. Er musste nachgeben.
    Die Vernehmung dauerte länger als eine Stunde. Die Aussagen des ehemaligen Präsidenten waren für Julia Timoschenko tödlich. Um es in der strengen Sprache des Protokolls auszudrücken, wurde Julia Wladimirowna Timoschenko beschuldigt, beim Abschluss des Vertrags mit dem russischen Ministerpräsidenten Putin ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Juschtschenko bestätigte die Angaben der Beschuldigung voll und ganz. Er erzählte eine Geschichte von weiblicher Tücke und Treulosigkeit. Davon, wie langwierig, mühselig und dennoch fruchtlos die
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