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Juli, Die Viererkette

Juli, Die Viererkette

Titel: Juli, Die Viererkette
Autoren: Joachim Masannek
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Freitag noch mal so was. Und zwar dreimal so viel! Ist das klar?“
    „W-w-wie bitte? Bist du verrückt? Wo soll ich denn so viel Geld herbekommen?“, rief ich entsetzt. „Nein! Das kannst du vergessen! Das schaffe ich nicht!“
    „Was du nicht sagst?“, grinste der Dicke Michi. „Und was ist mit der Kohle für Willis Geburtstagsgeschenk? Die sammelt ihr doch?“
    Ich war geschockt.
    „Woher weißt du das?“, fragte ich völlig verdattert, und der Dicke Michi runzelte seine Stirn.
    „Olala! Endlich stellt er mal Fragen“, lachte er. „Weißt du, wir wissen viel über euch. Wir machen uns vor euch nämlich nicht vor Angst in die Hosen.“
    Mit diesen Worten packte er meine Hand und zog mich zu sich empor.
    „Siehst du, es gibt für alles ’ne Lösung!“, zwinkerte er mir aufmunternd zu. „Und für einen Kerl wie dich allemal!“
    Jetzt drückte er meine Hand, dass sie krachte. Ich bäumte mich vor Schmerz auf. Doch der Dicke Michi schien das nicht zu bemerken. Er beugte sich ganz nah zu mir herab:
    „Du gefällst mir nämlich, Wilder Zwerg! Und wir können es zusammen noch zu was bringen. Vorausgesetzt du tust, was ich will! Ist das klar?“
    Er drückte noch fester. Ich wimmerte jetzt.
    „Und vorausgesetzt, du hältst mich nicht nochmal für verrückt!“
    Jetzt wollte er meine Hand pulverisieren. Ich schrie vor Schmerz auf. Da hatte er endlich Erbarmen und lockerte seinen Griff.
    „Genau das wollte ich hören!“, lächelte er. „Mach’s gut! Wir sehen uns Freitag!“
    Er winkte mir zu, und für den Bruchteil einer Sekunde sah er aus wie Benjamin Blümchen. Dann stapfte er den anderen Mistkerlen nach.
    Ich wartete, bis ihn die Nacht verschluckt hatte. Selbst jetzt stand ich noch da und bewegte mich nicht. Ich wollte absolut sicher sein, dass er nicht noch mal zurückkommen würde. Ich wollte ihn nie wieder sehen.
    Erst dann schaute ich auf meine geschundene Hand. Sie war noch ganz, Gott sei Dank! Aber als ich sie drehte und meine Finger testweise krümmte und streckte, fiel mein Blick auf das Wilde Kerle- Tattoo. Und morgen war Donnerstag. Morgen würde mein letzter Tag als Wilder Kerl sein.
    Da packte mich eine unbeschreibliche Wut und ich schrie, so laut ich konnte.

    „Papa! Hörst du mich, Papa? Hier steht Juli! Juli „Huckleberry“ Fort Knox, die Viererkette in einer Person. Und ich schwöre dir, Papa, dass ich meine Freunde niemals verrate! Niemals, hörst du?!“
    Dann wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und fügte leise hinzu: „Auf jeden Fall werde ich das nicht freiwillig tun.“
    In diesem Moment ging ein Licht an. Nur ein paar Meter von mir. Die Leselampe in dem Führerhaus des LKWs beleuchtete das Gesicht des Fahrers, dem ich schon beim letzten Mal auf dem Parkplatz zwischen den Graffiti-Burgen begegnet war. Er schaute mich an, als wollte er mir irgendwie helfen, als stünde er hinter mir und passte die ganze Zeit auf mich auf. Doch ich konnte nicht anders. Ich rannte wieder davon.

Der sicherste Ort der Welt
    Am nächsten Morgen ging es mir prächtig. Als ich aufwachte, schien die Sonne in mein Zimmer, und auf ihren goldenen Strahlen schickte sie mir den Einfall, der mich erlöste.
    Der Dicke Michi und seine Bastarde hatten nie im Leben daran geglaubt, dass ich kommen und ihnen Geld bringen würde. Also, warum sollten sie es nächstes Mal tun? Ich musste die letzte Nacht nur vergessen, so wie man einen Alptraum vergisst. Dann war die Welt wieder in Ordnung. Ja, und was ist leichter als einen Traum zu vergessen, nachdem man aufgewacht ist?
    Als ich zum Frühstückstisch kam, hob Joschka sofort seine Fäuste. So sehr rechnete er mit einem weiteren Kuss. Doch den bekam meine Mutter. Sie bekam ihn als Trost für ihre Sorgen um mich, und ich gab ihn ihr voller Stolz. Ich hatte mein Wort gehalten. Alle meine Probleme waren gelöst, und niemand hatte davon überhaupt was bemerkt.
    Die Schule verging an diesem Tag wie im Flug, und ein Grund dafür war, dass der Dicke Michi nicht kam. Er und seine Bande hatten sich mit meinem Geld bei seinem Cousin mit einer Tonne gestohlener Süßigkeit versorgt. Das wusste ich, und mit dieser Tonne in ihren Bäuchen lagen sie jetzt bestimmt irgendwo in der Sonne. Aber das war mir egal. Auch um mein Geld tat es mir kein bisschen leid. Es war bestimmt keine Fehlinvestition. Jede Minute ohne den Dicken Michi war es mir wert. Ich war unendlich froh und so gut gelaunt, dass selbst Fabi vergaß, was er gestern gesehen hatte, als ich mein Sparschwein
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